PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 24

SEMIRAMIS 

Architektur:
BBK Architekten AG
Egerta 37
FL-9496 Balzers

Tragwerksplanung:
Bänziger Partner AG
Bahnhofstrasse 18
CH-9470 Buchs

Städtebau und Architektur / Umgang mit dem Bestandsbau

Das in den 1970er Jahren von Architekt Franz Marok erbaute Post- und Verwaltungsgebäude mitten im Herzen von Vaduz soll grundlegend saniert und zukünftig als neuer Standort für die Liechtensteinische Landesbibliothek genutzt werden. Das Gebäude überzeugt auch nach rund 50 Jahren durch seine solide Bauweise und seinen ambitionierten strukturellen Aufbau. An dem wichtigen, zentral gelegenen Ort sind aber auch seine Defizite unübersehbar. So wird es dem Anspruch, sich gut in das umgebende städtebauliche Gefüge einzufügen, nicht ausreichend gerecht. Aus heutiger Sicht besonders unbefriedigend erscheint die Gestaltung der Sockel- und Erdgeschosszonen. Da es als Verwaltungsgebäude konzipiert wurde, stellt sein kleinteiliges Innenleben die Eignung für seine zukünftige, öffentliche Nutzung bei einem ersten Blick zunächst infrage.

Für uns standen von Beginn an zwei Ziele im Fokus: Der Entwurf eines selbstbewussten Stadtbausteins, der dazu beiträgt, den umgebenden Stadtraum zu klären und aufzuwerten, und gleichzeitig dem Anspruch eines öffentlichen Gebäudes durch eine grosszügige grundrissliche Organisation zu entsprechen.

Die Struktur des bestehenden Hauptbaukörpers mit ihren massiven Pfeilern und den Sichtbetondecken erhalten wir mit dem Ziel, daran möglichst wenig zu ändern. Dagegen werden die bestehenden Räume im Erdgeschoss, die unter den Hauptbaukörper gestellt wurden, durch ein neues und grösseres Volumen ersetzt. Eine gute Erreichbarkeit der wichtigen öffentlichen Räume und ein flexibel unterteilbares Angebot an grossen, zusammenhängenden Flächen wird eine Voraussetzung sein für einen erfolgreichen Betrieb. Gemäss unserem Projektvorschlag weist das neue Eingangsgeschoss eine im Verhältnis zum Bestand nahezu verdoppelte Grundfläche auf. Sein beinahe quadratischer Grundriss markiert auf allen vier Seiten den Anspruch auf selbstbewusste Präsenz im Stadtraum.

Wir haben uns dafür entschieden, auf grundlegende statische Ertüchtigungsmassnahmen innerhalb des Bestandsbaus zu verzichten. Damit entstand mit Blick auf die erforderliche Erdbebensicherheit die Notwendigkeit, einen neuen, statisch wirksamen Kern im Grundriss an zentraler Stelle so anzuordnen, dass bis einschliesslich der Decke über dem 1. Obergeschoss nicht nur der neue Bauteil, sondern auch der Altbau ausreichend stabilisiert werden. Grösse und Lage dieses neuen Kerns bestimmen die Geometrie des 1. Obergeschosses, das kleiner als das Erdgeschoss, aber grösser als die darüberliegenden Geschosse ist. Beginnend im 1. Untergeschoss – dem Niveau der Äulestrasse – staffelt sich der Baukörper über das Erdgeschoss und das 1. Obergeschoss stufenweise bis auf die bestehende Fassadenflucht des 2. und 3. Obergeschosses zurück. Dadurch werden drei Terrassen ausgebildet, die den einzelnen Geschossen im Süden jeweils vorgelagert sind.

Auf ihrer West- und Ostseite sind die unteren Geschosse durch einheitliche, durchlaufende Fassadenfluchten miteinander verbunden. Es entsteht der Eindruck einer zweiteiligen baukörperlichen Konstellation: Unten ein ausladender Sockel mit mehreren Abtreppungen, oben ein einfacher, abstrakter Balken, der in den Sockel passgenau eingefügt ist, diesen zu beiden Seiten überragt und damit die Eingänge vom Städtle und von der Äulestrasse markiert. In der Konsequenz haben wir die beiden Körper auch hinsichtlich ihrer Materialisierung differenziert. Der Sockel wird über eine Fassade aus Naturstein im Stadtraum verankert, der schwebende, querliegende Balken dagegen mit einer filigranen, leichten Holzfassade versehen. Umlaufende Bänder mit im Wechsel liegender und stehender Einteilung binden den Baukörper zusammen und verknüpfen Stein- und Holzfassaden. Als Stein schlagen wir einen hellen Muschelkalk vor, der bereits bei verschiedenen Gebäuden in der Umgebung zum Einsatz gekommen ist. Die Holzfassade erhält eine farblich auf den Stein abgestimmte Lasur in einem rötlichen Kupferton.

Das Erdgeschoss präsentiert sich als eine grosse zusammenhängende Fläche, in die mehrere Kerne eingestellt sind. Der hohe Raum wird geprägt durch die bestehende Sichtbetondecke mit Bretterschalung. Eine farbliche Lasur in demselben Kupferton wie bei den Holzfassaden der Obergeschosse macht die baukörperliche Zuordnung zu dem über dem Sockel schwebenden oberen «Balken» ablesbar.

Wir schlagen für die Terrassen eine intensive Begrünung vor. Auch wenn der nahe Schlosswald vom Städtle aus nur wenige Schritte entfernt ist, so gibt es unmittelbar im Zentrum doch nur wenig «urbanes Grün». Mit den begrünten Terrassen bekommt die Landesbibliothek einen unverwechselbaren Charakter und es entsteht eine grüne Oase, von der das gesamte Zentrum profitiert.

Überraschend wirkt insbesondere die Gestaltung der grossen Terrasse im 1. Obergeschoss, die sich die Überhöhe des Erdgeschosses zunutze macht, um mithilfe eines betonierten, wabenartigen Trägerrostes Pflanztröge für sieben grosskronige Bäume auszubilden. Die nicht von den Pflanztrögen besetzten hohlen Waben sind von unten aus dem Café und dem Veranstaltungsraum als räumliche Überhöhe erlebbar. Sie sind im Zwischengeschoss durch Fensteröffnungen aus dem neuen Kern einsehbar, wodurch sich auch Blickbeziehungen von oben in das Café ergeben.

Es entsteht insgesamt der Eindruck, beim 1. Obergeschoss würde sich um ein zusätzliches Erdgeschoss handeln. Das ist insofern sinnfällig, weil Erdgeschoss und 1. Obergeschoss zusammen den Bereich der «open library» und damit das eigentliche Herz der zukünftigen Landesbibliothek ausmachen. Die begehbaren Garten- bzw. Dachterrassen bedeuten für die dahinterliegenden Räume der Bibliothek einen erheblichen Zugewinn an Attraktivität und ein zusätzliches, ergänzendes Angebot, das vielfältige Nutzungsmöglichkeiten eröffnet. Das Laub der Bäume sorgt im Sommer für eine ausreichende Beschattung der Fensterfronten, wohingegen die natürliche Belichtung im Winter, wenn die Bäume kein Laub haben, trotzdem gewährleistet ist.

Der Gebäudetypus mit den zurückweichenden Obergeschossen und den begrünten Garten – bzw. Dachterrassen erinnert an die antiken «Hängenden Gärten der Semiramis». Obwohl deren genauer Ort nicht bekannt ist und noch nicht einmal feststeht, ob sie überhaupt jemals existiert haben, so haben sie in der Architekturgeschichte über viele Jahrhunderte hinweg doch einen inspirierenden Einfluss ausgeübt. Mit den hängenden Gärten verbindet sich die Verheissung, auf der Basis einer architektonischen Konstruktion und unabhängig von der vorgegebenen Topografie eine «zweite Natur» realisieren zu können.

Umgebung

Das neue Erdgeschoss wird auf einer einheitlichen Höhenkote angeordnet, die dem Niveau der heutigen Post entspricht. Dadurch wird das Eingangsniveau im Verhältnis zum Bestand etwas angehoben. Der Höhenunterschied zum Städtle wird durch eine breitgelagerte Treppenanlage, in die eine behindertengerecht gestaltete Rampe integriert ist, überbrückt. Mit dieser Treppenanlage soll der einladende Charakter der neuen Bibliothek unterstrichen werden. Die Stufen dienen auch dazu, das Leben im Städtle mit den vielen vorbeikommenden Menschen zu beobachten. Eine runde Sitzbank um einen beim Eingang neu gepflanzten Gingko-Baum, der die Landesbibliothek als Institution repräsentiert, empfängt die Besucher unmittelbar beim Eingang. Auf der Südseite lässt der neue Baukörper eine Fuge zwischen sich und der Brücke zur Marktplatzgarage offen, in der der Aussenraum zwischen Städtle und Äulestrasse hindurchfliessen kann.

Eine grundlegende Aufwertung des städtebaulichen komplexen Umfelds ist ein wichtiger Baustein für eine erfolgreiche Zukunft der neuen Bibliothek. Dazu gehört insbesondere auf der Süd- (Übergang zur Marktplatzgarage) und der Nordseite (Postgass) des Gebäudes das Pflanzen von hochstämmigen Bäumen, für die, weil sich darunter an den meisten Stellen Untergeschosse befinden, ausreichend dimensionierte Pflanztröge vorgesehen werden müssen, für deren Umsetzung voraussichtlich an verschiedenen Punkten statische Ertüchtigungen notwendig werden. Die heute vor dem Eingangsbereich verlegten grossformatigen Natursteinplatten werden wiederverwendet und nach Abschluss der Bauarbeiten auf der Süd- und Ostseite der Bibliothek neu verlegt.

Für die Postgass im Norden und das Trottoir unten an der Äulestrasse schlagen wir die Weiterführung des Natursteinbelags vor, der in der Fussgängerzone des Städtle zum Einsatz gekommen ist.

Zusammen mit dem Künstler Georg Malin muss ein neuer Standort für den Z-Würfel gesucht werden. Wir schlagen dafür den Ort der Einmündung der Postgass in das Städtle vor. Hier könnte, auf einem geraden Podest, der im Städtle vertraute Z- Würfel den oberen Abschluss der in der Postgass neu zu pflanzenden Baumreihe definieren. Auch wenn die Postgass heute eher als Unort erscheint, so sehen wir trotzdem die Chance, dass hier mit einem neuen Belag und einer anspruchvollen Begrünung ein attraktiver, repräsentativer Ort entstehen kann.

Organisation und Funktionalität

Der hohe Raum des Erdgeschosses wird geprägt durch die bestehende Sichtbetondecke mit Bretterschalung. Eine farbliche Lasur in demselben Kupferton wie bei den Holzfassaden der Obergeschosse unterstützt eine freundliche Raumatmosphäre, lässt aber gleichzeitig die Decke als bestehendes Bauteil identifizierbar. Nach dem Eintreten geht der Blick geradeaus bis zur Fensterfront an der Westfassade. Zur Rechten befindet sich der bestehende Treppen- und Liftkern, in einem ebenfalls bestehenden Betonkörper weiter hinten befindet sich unverändert der alle Geschosse andienende Warenlift. Unmittelbar links beim Eingang liegt das bestehende, jetzt baukörperlich neu integrierte Treppenhaus, das aus der Tiefgarage heraufführt. Auf der linken Seite wird man am Empfangstresen begrüsst, geradeaus weiter führt eine Treppe nach unten zum Eingang an der Äulestrasse. Im Erdgeschoss befinden sich die Bereiche Kinder- (2-4) und Jugendbibliothek (2-5), sowie der Bereich für Filme und Hörbücher (2-10). Vom Empfang diagonal nach links kommt man zum neuen Bauteil. Nach dem Durchqueren eines Vorraums, der im neuen Aussteifungskern liegt und der z.B. für einen kleine Apéro genutzt werden kann, erreicht man den Veranstaltungsraum (2-19) und das Bibliothekscafé (2-7). Diese liegen unmittelbar an der Südfassade und können bei Bedarf (z.B. einer abendlichen Veranstaltung) von aussen separat über die vorgelagerte Terrasse erschlossen werden. Garderoben und Toiletten sind so angeordnet, dass sie sowohl von der Bibliothek als auch vom Café bzw. Veranstaltungsraum genutzt werden können, jeweils ohne einen anderen Bereich durchqueren zu müssen.

Einer der bestehenden wuchtigen Sichtbetonpfeiler markiert den geometrischen Mittelpunkt im Gesamtgefüge des Erdgeschosses. Seine Position wird durch eine elegant geschwungene neue Treppe veranschaulicht, die sich um ihn herum auf ein Zwischengeschoss hochwindet. Auf dem prominent gelegenen Zwischengeschoss, das räumlich dem Foyer (2-1) zugeordnet ist, befinden sich mit dem Ausstellungbereich für Liechtenstein-Publikationen (2-12) und der Lounge (2-6) wichtige publikumsrelevante Nutzungen, die von den vielfältigen Blickbeziehungen in besonderer Weise profitieren. Vom Zwischengeschoss führt ein gerader Treppenlauf, der sich innerhalb des neuen Kerns befindet, weiter nach oben in das 1. Obergeschoss. Die an der Fassade durchlaufende Fensterfront eröffnet den Blick unter den schattengebenden Baumkronen hindurch nach Süden. Türöffnungen an der Fassade erlauben das Betreten der mit rund 230 m2 überraschend weitläufigen Terrasse, die mit ihrem Baumdach und der durchlaufenden Chaussierung an einen öffentlichen Park erinnert. Verschiedene Sitzmöbel erlauben ein ruhiges Lesen und Entspannung an einem Ort, der – obwohl in unmittelbarer Nähe – vom Trubel der Umgebung abgehoben ist. Gemäss dem vorliegenden Nutzungskonzept nimmt der zu erwartende Publikumsverkehr ab, je weiter man nach oben steigt. Das grosse Flächenangebot im Erdgeschoss erlaubt es unter anderem, auf die heute vorhandene Attika zu verzichten. Wir erachten die bestehende Treppen- und Liftanlage für die Erschliessung des 2. und 3. Obergeschosses als ausreichend. Der Wechsel von der Treppe im neuen Kern, die die beiden Geschosse der «open library» miteinander verbindet, zur bestehenden Treppe an der Nordfassade findet im 1. Obergeschoss statt, wo man, vom unten heraufkommend, am Infopoint Auskünfte bezüglich der sich auf diesem Geschoss befindlichen Bereiche Sachbücher (2-11) und Belletristik (2-9) erhält, bevor man, direkt dahinter, zum Antritt der nach oben weiterführenden Treppe gelangt. Beim Aufsteigen werden auf diese Weise die verschiedenen Geschosse «durchwandert», während das alle Geschosse vertikal auf geradem Weg miteinander verbindende bestehende Treppenhaus im Brandfall die Aufgabe als Fluchttreppe übernimmt.

Auch im 2. Obergeschoss befindet sich an der gleichen Stelle wie im 1. Obergeschoss ein Infopoint, auf den man direkt zutritt. Auf diesem Geschoss finden sich ein Teil des Sachbuchbereichs (2-11) und an zentraler Stelle die Liechtensteinpublikationen (2-13), daneben noch ein Silentiumraum (2- 17, aufgeteilt auf 1. und 2. OG) und der Makerspace (2-20). Auch hier gibt es eine begrünte Terrasse, in die kleine Sitznischen integriert sind, die sowohl von den Besuchern als auch vom Personal genutzt werden können.

Das 3. Obergeschoss ist wesentlich den Magazinnutzungen vorbehalten (2-14 Freihandmagazin und 3-3a Magazin) und mit Ausnahme der sich in diesem Geschoss an der Nordostecke befindlichen Büroräume (3-10) fensterlos, um leichter stabile Klimaverhältnisse gewährleisten zu können.

Die Räume der Verwaltung sind auf verschiedene Geschosse aufgeteilt, um jeweils kurze Wege zu den einzelnen Bereichen und zu den Infopoints zu gewährleisten. Der Personaleingang, die Anlieferung (1-10) und diverse Nebenräume (3-15 Hauswart, 3-13 Duschen, 3-16 Putzraum) befinden sich im 1. Untergeschoss entlang der Nordfassade. Der Grossteil der Nutzflächen im 1. Untergeschoss dient den Räumen für Kulturgüterschutz (3-1) und für Magazine (3-3). Zur Äulestrasse wird im Bereich hinter der Bushaltestelle im Grundriss eine Arkade als überdachter Aussenbereich freigehalten.

An der Nordwestecke des Gebäudes im 1. Untergeschoss und an der Nordostecke im Erdgeschoss werden Räume für Veloabstellplätze eingerichtet, von denen die beiden Eingänge direkt erreicht werden können.

In den Untergeschossen 2 und 3 sind bis auf geringfügige Anpassungen aus statischen Gründen keine baulichen Anpassungen vorgesehen.

Bibliothekseinrichtung und Open Library

Unser Projektvorschlag bietet insbesondere in der Open Library im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss grosse, flexibel nutz- und unterteilbare Räume an. Dort konzentriert sich ein wesentlicher Teil der geforderten Nutzflächen. Wir stellen uns eine Bibliothek vor, wo verschiedenste Bedürfnisse und Nutzungsanforderungen in einem engen Nebeneinander stattfinden: Lesen und Stöbern, Spielen und Arbeiten, Entspannung und Inspiration, temporärer Rückzug und der Austausch mit Anderen. Für das in der Ausschreibung gewünschte Neben- und Miteinander unterschiedlichster Anforderungen steht ein ausreichendes Angebot an grossen, zusammenhängenden Flächen, wo sich diese Konstellationen realisieren lassen, zur Verfügung. Der Kleinkindbereich mit der damit verbundenen Lebhaftigkeit findet seinen Platz in der etwas geschützten Südwestecke des Gebäudes. Gleich nebenan liegt der Veranstaltungsraum. Eine flexible Öffnung zum Kleinkindbereich mittels einer Faltwand erscheint denkbar, weil es im Kleinkindbereich keine  feste Möblierung  gibt und im Bedarfsfall die Einrichtung  mit  den unter-schiedlichsten Spielgeräten und Medientrögen rasch umgestellt werden kann. Im Uhrzeigersinn schliessen sich an den Kleinkindbereich der Kinderbereich, die Mittelstufe und die Jugendbibliothek an. Dabei ändert sich die Art der Einrichtung und der Möblierung. Hier finden sich Regale, Arbeits- und Lernplätze und die beliebte Gamingzone. Gemeinschaftliches Leseerfahrungen können in der kreisförmigen Leselounge gemacht werden. Unweit der Gamingzome findet der Bereich für Filme /Hörbücher seinen Platz, der auch vom Eingang gut erreichbar ist. Dort gibt es die Gelegenheit, ausgeliehenes Bücher- und Medienmaterial zurückzugeben.

Die einladende, offen gestaltete neue Treppe im Zentrum lädt ein, sich auch in die oberen Geschosse zu begeben. Der Blick nach oben zum Zwischengeschoss macht neugierig. Die Treppe führt zunächst zum Ausstellungsbereich für Liechtenstein-Publikationen. Seine zentrale Lage und gute Auffindbarkeit sind für die Ausstrahlung als Nationalbibliothek von wesentlicher Bedeutung. Da er aber nicht zur Open Library gehört, muss er abschliessbar sein. Dagegen ist die Lounge mit verschiedenen Sitzgelegenheiten, zahlreichen Zeitschriften/ Zeitungen, Kaffee- und Snackautomat ein integraler Bestandteil der Open Library. Ihre Anordnung auf dem Zwischengeschoss erlaubt, aus einer erhöhten Perspektive die Aktivitäten in der Bibliothek zu beobachten, aber gleichzeitig auch etwas Distanz aufzubauen. An der Nordostecke des Zwischengeschosses befinden sich ein paar Büroarbeitsplätze für das Personal, das im Erdgeschoss Aufgaben übernimmt.

Mit der ins 1. Obergeschoss hinaufführenden Treppe ändert sich die Atmosphäre, obwohl das 1. Obergeschoss aufgrund der im Süden vorgelagerten, parkartigen Terrasse wie ein zusätzliches Erdgeschoss wirkt. Hier und im 1. Obergeschoss ist es viel ruhiger und, unterstützt durch den engen Innen-Aussen-Bezug zur grossen, baumbestandenen Terrasse, auch eher meditativ. Hier gibt es das traditionelle Angebot mit vielen Regalmetern und Buchbeständen. Ergänzt wird dieses Angebot durch unterschiedliche «Lernkapseln» für Gruppen und Einzelarbeit. Der Infobereich ist zentral zwischen den Erschliessungskernen angeordnet, er wird vom Personal betreut, das in den Büros an der Nordfassade einen eigenen Arbeitsplatz hat. Wir gehen davon aus, dass der Aufenthalt auf der Terrasse möglich ist, ohne die Mediengates zu passieren. Über die Etage verteilt finden sich unterschiedliche Sitzgelegenheiten zum Lesen und Verweilen.

Von den hängenden Gärten der Semiramis zu den Dachgartenterrassen in Vaduz

Entsprechend der Einheit von Gebäude und Pflanzenräumen des Dachgartenterrassenhauses der neuen Landesbibliothek werden die in der Höhe gestaffelten und am Gebäude zurückspringenden Pflanzebenen an die Funktion im Raum und an die Beschattungsfunktion angepasst ausgestaltet.

Die Pflanzenwahl orientiert sich am exponierten Standort, der notwendigen Robustheit der Pflanzen sowie einem vielfältigen Erscheinungsbild im Jahresverlauf. Neben der optischen Vielfalt ist das Unterstützen der Biodiversität (Bienenweiden möglichst lange im Jahresverlauf) und grossteils eine heimische Artenwahl für diesen hitze- und trockenheitsbelasteten und in der Ausdehnung begrenzten Wurzelstandort massgebend.

Die raumbildende Pflanzebene im öffentlichen Raum des Städtle bildet im Süden und Norden der neuen Landesbibliothek eine Schwelle zum Gebäude, die nötige Verschattung im Süden für die Cafeterrasse an der Südfassade und eine Verbindung zum bestehenden öffentlichen Raum in Vaduz. Ost-West orientierte Platanenlinien verbinden über die Pflanzenart das neue Gebäude mit dem städtischen Raum in Vaduz vis a vis des Liechtenstein Centers und in der Äulestrasse, wo bereits Platanen den Strassenraum beschatten. Die erhöhten südlichen Baumpflanzbereiche werden durch einen Teppich von violetten Krokussen im März mitten im steinernen Vaduz erfrischt. Beim Eingangsbereich grüsst schon von weitem sichtbar ein auslandender Ginkgobaum die Fussgänger, die vom Städtle kommen, und erinnert an Goethes Verweilen in Vaduz. Im südwestlichen Randbereich flankieren kürzere Baumreihen aus Blumeneschen (oder Blauglockenbäumen) den Übergang zum öffentlichen Raum der Äulestrasse und werten ihn durch ihre Blüten für Wartende im Bereich der Bushaltestellen auf.

Im ersten Obergeschoss der neuen Landesbibliothek sorgt eine Mischung aus Platanen, Blumeneschen (oder Blauglockenbäumen) und der Zimtesche einerseits für die notwendige Verschattung des Gebäudes, des zugänglichen Aussenraumes als auch für eine abwechslungsreiche Erscheinung über die weissen Blüten der Blumenesche und die orangerote Herbstfärbung der pennsylvanischen Esche, wahrnehmbar vom Gebäudeinneren und aus dem Stadtraum des Städtle. Diese von der Bibliothek zugängliche Terrasse bietet über anspruchslose Gräserlinien eine Raumgliederung und Nischenbildung ab dem Sommer bis in den Winter. Im zeitigen Frühjahr erfreuen die Bibliotheksbesucher ab März dunkelviolette Blüten des Krokus in den Pflanzbändern und cremeweisse Tulpenblüten (10), die von den Gräsern im Laufe des Sommers überwachsen werden.

Im zweiten Obergeschoss sind entsprechend der abnehmenden Höhe des Wurzelraumes (0,70m) sowie der extremeren Sonneneinstrahlung vermehrt Gräser, Zwiebelpflanzen, Stauden und mediterrane Kleinsträucher neben mehrstämmigen Grosssträuchern der Hopfenbuche und des Eisenholzbaumes die Rahmung für kleinere Aufenthaltsnischen unter freiem Himmel. Auch auf dieser obersten begehbaren Dachterrasse sind vom Frühjahr weg die dunkelvioletten Krokusse und die Tulpen die ersten Farbboten im Frühjahr. Gefolgt von Lampenputzergras und Chinaschilf. Ab August blühen weisse Sonnenhüte und russischer Salbei mit dem immergrünen Rosmarin als Insektenweide um die Wette bis in den Herbst, wo die silbrig-gelben Gräser die gelbe und orangerote Färbung der Sträucher ergänzen und bis tief in den Winter Struktur und Farbe vor den Fenstern bieten.

Die nicht für Aufenthalt bestimmte oberste Dachfläche wird unter der Photovoltaikanlage als Sedumfläche extensiv begrünt, um hier eine Niederschlagsretentionsfunktion und Insektennahrung anzubieten.

Nachhaltigkeitskonzept

Materialökologie – Ökologische Baukonstruktion

Das Gebäude wird in seiner massiven Primärstruktur im Wesentlichen erhalten und nur südseitig ergänzt. Als Dämmstoffe am Dach und zu den grossen Pflanztrögen werden Rezyklat-Platten aus Schaumglas eingesetzt. Für Oberflächenbehandlungen werden nur Lasuren ohne Schadstoff- und Lösungsmittelemissionen eingesetzt.

Thermische Gebäudehülle

Der Gebäudeentwurf ist kompakt und ohne Versprünge in der Ebene der Thermischen Hülle konzipiert. Dadurch kann eine einfache und hoch wärmegedämmte Gebäudehülle umgesetzt werden. Der Verglasungsanteil ist bezüglich Wärmeschutz, sommerlicher Überhitzung und Tageslichtnutzung optimiert. Für die Fenster kommt eine hochwertige 3-Scheiben-Verglasung mit U-Wert 0.5W/m2K und Lichttransmission >70% zum Einsatz.

Sommerlicher Wärmeschutz

Südseitig zu den intensiv bepflanzten Terrassen übernehmen die Hochstämme die sommerliche Beschattung der Verglasungen. Die automatisch mechanisch gesteuerten Lüftungsflügel zu den Terrassen und gegenüberliegend in der Nordfassade werden in Abhängigkeit der Temperaturdifferenz aussen/ innen zur Nachtauskühlung der Raumspeichermasse und zur Regelung der Raumluftqualität über CO2-Sensoren in den Geschossen EG bis OG2 eingesetzt. Die Fenster der Westfassade erhalten einen aussen liegenden windstabilen Sonnenschutz.

Mechanische Lüftung

Eine mechanische Lüftung mit Wärme- und Feuchterückgewinnung gewährleistet eine hohe Raumluftqualität im OG3. Das Depot/Lager im UG erhält eine kleine Vollklimaanlage zur Stabilisierung von Raumlufttemperatur und Raumluftfeuchte. Da die Räume, die gelüftet bzw. klimatisiert werden müssen, auf ihrem Geschoss jeweils von einem eigenen Technikraum versorgt werden, kommt das Gebäude ohne vertikale Steigschächte für Lüftungsleitungen aus.

Die bestehenden Schächte können von anderen Medien belegt werden, sie reichen auch mit Blick auf die Zukunft aus.

Raumheizsystem

Generell vollflächig Fussbodenheizung mit Einzelraumregelung.

PV-Anlage

Die Dachfläche erhält eine PV-Anlage mit 15°-Anstellwinkel. Die PV-Anlage erhält einen Batteriespeicher, sodass der Eigennutzungsanteil der erzeugten elektrischen Energie speziell für Kunstlicht morgens und am Abend im Publikumsbereich erhöht wird.