PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 16

Metamorphosis

Architektur:
Bartke Pedrazzini Architetti SNC
Via Sant’ Antonio 3
CH-6600 Locarno

Tragwerksplanung:
Ingegneri Pedrazzini Guidotto sagl
Via Pico 29
CH-6900 Lugano

ARCHITEKTUR

Um die gegenwärtigen Platzprobleme der Liechtensteinischen Landesbibliothek langfristig zu lösen sowie den stetig wachsenden Nutzer- zahlen gerecht zu werden, hat die Regierung des Fürstentums entschieden, das Post- und Verwaltungsgebäude Vaduz als neuen Standort der Nationalbibliothek zu nutzen und das Gebäude für diesen Zweck umzubauen.

Bibliotheken befinden sich in einem größeren Transformationsprozess. Physische Medien wer- den zunehmend von digitalen abgelöst und die Bibliothek der Zukunft wird vermehrt zu einem Aufenthalts-, Lern- und Begegnungsort sowie sozialen Treffpunkt. Somit garantiert die Bibliothek ganz wesentliche gesellschaftliche Funktionen wie den uneingeschränkten Zugang zu Bildung für alle sozialen Schichten. Folgerichtig hat die Bauherrschaft die Bibliothek vom Stadtrand ins Herz der Landeshauptstadt Vaduz geholt. Die optimale Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz, die vorhandene Tiefgarage sowie die fußläufige Nähe zu weiteren wichtigen Einrichtungen der Landeshauptstadt stellen eine hervorragende Grundlage für den Erfolg der neuen Landesbibliothek Liechtenstein.

Städtebauliches und freiräumliches Konzept

Der innerstädtische Bereich Vaduz ist vom Städtle geprägt, an dem sich wie an einem roten Faden die wichtigsten Gebäude aneinanderreihen: Kathedrale St. Florin, Landtag, Landesmuseum, künftige Landesbibliothek, Kunstmuseum und Rathaus. In diesem räumlichen Kontinoum als lose Folge von Gasse, Platz und Solitärbau gilt es die Bibliothek zu verorten und Ihr mittels eines Vorplatzes den entsprechenden Begegnungs- und Freiraum zu verschaffen, der einer Nationalbibliothek würdig ist. Die ehemals stark fragmentierte Schnittstelle von Städtle und zukünftigem Bibliotheksplatz wird mittels einer linearen und leicht zu gehen- den Freitreppe gestaltet und gleicht den neuen, ebenen und mit Pflastersteinen gedeckten Platz mit den Niveaus des Städtle aus. Gleichzeitig wird so die dreieckige Bauflucht der Nachbarschaft dezent aufgenommen; die sich daraus ableitende, leicht zu begehende Rampe macht die Bibliothek für jeden schwellenlos erreichbar. Der Abbruch des Obergeschosses des ehemaligen Postgebäudes legt den neu umhüllten, solitären Bau- körper frei und führt zu einem markanten, klaren Volumen das sich mit einer einladenden Geste, einem gross aufgespanntem Vordach und doppelter Raumhöhe gegenüber des Stradtraums öffnet. Im Westen wird die hervorstehende Decke des ehemaligen Postgebäudes genutzt und mittels einer schallschluckenden Fassade eingehaust; Hier werden die neuen Archivräume in großen, leicht erreichbaren und gut geschützten Räumlichkeiten verortet – gewissermaßen als physische und metaphysische Basis der neuen Nationalbibliothek. Die neuen Raumkanten, welche die Verlängerung des aufgeständerten Baukörpers darstellen bilden den Sockel, der an der städtebaulich als Tor zu lesenden Ecke Äulestrasse / Postgass gleichsam geöffnet wird und den Besucher mittels einer einladenden Wendeltreppe direkt ins Foyer des Obergeschosses führt. In diesem neu geschaffenen, überhohen Volumen befindet sich auch der neue Veranstaltungsraum, der aufgrund seiner flexiblen Zonierung und durch seine gute Einsehbarkeit eine feste Adresse im Kulturleben der Stadt wird.

Architektonisches Konzept

Der nunmehr klar ablesbare Baukörper wird von seinen nicht mehr benötigten Kernen und Elementen befreit und mittels einer innovativen und ausgeklügelten Statik für das 21. Jahrhundert präpariert. Die hochflexible Struktur des Umbaus bietet somit auch eine architektonische Antwort auf einen möglichen zukünftigen Transformationsprozess der Bibliothek. Die robuste und kräftige Stützen-Struktur ist auch für die Anforderungen der Zukunft gewappnet und wird zum Ausdruck dieses Wandels. Die neue Kubatur formuliert nach Süden hin ein markantes Vordach, welche den Übergang von Aussen- und Innenraum inszeniert, im Sommer schatten spendet und an Regentagen einen eleganten Schutz bietet. Hier wird folgerichtig der Haupteingang sowie das Café verortet. Aufgrund der Verschattung können eine hohe Transparenz erreicht sowie vielfältige Ein- und Ausblicke generiert werden.

Die neue, zentral angeordnete und charakteristische Wendeltreppe bildet zukünftig das Herz der Bibliothek. Sie lädt zum Erkunden der auf vier Geschosse verteilten Bibliothek ein. Die Bereiche der Open Library befinden sich wie vorgesehen in den ersten beiden Geschossen, wobei der Kinder- und Jungendbereich im beruhigten und etwas niedrigeren 1. Obergeschoss untergebracht wurde.

Das neue Kleid aus Metall vereinheitlicht das Volumen und generiert ein oszillierendes Spiel aus Transparenz und Opakzität. Die roh belassene, aufgearbeitete Struktur des tragenden Betons wird mit leichten, vollständig recyclebaren Aluminium sowie roh belassenem Eichenholz kontrastiert.

TRAGWERK

Strukturelle Begründung

Die Tragstruktur des bestehenden Gebäudes weist zwei Mängel in Bezug auf die Tragsicherheit auf: den Widerstand gegen horizontale Einwirkungen der Aussteifungselemente der Kerne und den Widerstand gegen das Durchstanzen der Decken. Um die zu verstärkenden Bereiche zu begrenzen und damit die Dauer der Baustelle zu verkürzen, wurde beschlossen, diese beiden Probleme zu lösen, indem nur an den Stützen gearbeitet wer- den soll. Dabei wird die grosse vertikale ständige Last genutzt, die in Verbindung mit den vorhandenen Gründungspfählen die kostspielige Installation von Mikropfählen vermeidet.

Um das Verhalten des Bauwerks gegenüber der Erdbebeneinwirkung zu verbessern, wurde die axiale Belastung der Pfeiler durch eine vertikale Vorspannung erhöht. Bei den Pfeilern des zweiten Untergeschosses ist die Grösse der durch die Vorspannung verursachten Beanspruchung fast genauso gross wie der Druck, der durch die auf sie wirkenden ständigen Lasten entsteht. Die Vorspanneinheiten (12 Kabel à je 4 Litzen pro Pfeiler, von denen 4 an der Decke über dem zweiten Obergeschoss unterbrochen werden, während die verbleibenden 8 Kabel bis zur Dachdecke weitergeführt werden) finden um die bestehenden Stahlbetonpfeiler herum Platz und werden in einen neuen Betonmantel eingegossen, der die Biegefähigkeit des Bauteils weiter erhöht.

Um die bestmögliche Duktilität des Bauwerks zu gewährleisten, werden Spannkabel ohne Verbund verwendet, d.h. Einzellitzen von 150 mm2, die gefettet und ummantelt sind und in eine zusätzliche, mit Mörtel injizierte Hüllrohre eingeführt werden, wodurch eine sehr grosse Hysterese erreicht wird.

Die Dehnung des Spannstahls verteilt sich nämlich auf das gesamte Bauteil und nicht auf die Kriechzone um die einzelnen Risse herum, so dass die Schwankungen der Verformung und der Spannung im Stahl nahezu null sind.

Auf diese Weise ist es möglich, an der Basis der Stützen grosse Verdrehungen bei nahezu konstantem Moment zu erzeugen, ohne dass es zu einem Zugversagen der Spannstähle oder zu einem Bruch des Betons an der Basis kommt.

Scherversagen, das bei Stahlbetonwänden die Duktilität des Systems einschränkt, ist bei der vorgeschlagenen Lösung unproblematisch, da die Schubkraft ausschliesslich über die Neigung des Druckfelds auf den Stützenfuss übertragen wird, also ohne Beanspruchung der Bewehrungsbügel. Um Sprödbrüche an den Pfeilereinspannung zu vermeiden und damit eine ausreichende Rotationsfähigkeit der plastischen Gelenke zu gewährleisten, ist der Mantel aus Beton (C40/50) an der Basis jedes Pfeilers im zweiten Untergeschoss mit einer transversalen Bolzenbewehrung versehen, die ein Minimum an Einschnürung und die erforderliche Duktilität des Betons bietet.

Bohrungen in den bestehenden Decken ermöglichen die Durchgängigkeit der Kabel über die gesamte Höhe und das einfache Eingiessen von Beton aus dem oberen Stockwerk. Die neue Geometrie der Stützen ist in den verschiedenen Stockwerken je nach den auf sie wirkenden Kräften variabel, und die zusätzliche, quer auf die Decken geklebte Bewehrung löst das Problem der Durchstanzwiederstand.

SNBS

Wie in der Ausschreibung gefordert, sollen mit dem Projekt hohe Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards erreicht werden, um eine SNBS-Zertifizierung (Gold/ Platin) zu erhalten. Der SNBS-Zertifizierungsprozess erfordert bereits in einem frühen Stadium einen angemessenen Ansatz für das angestrebte Zertifizierungsniveau.

Der SNBS ist ein Qualitätssigel, das Nachhaltigkeit von A bis Z durchdacht hat: Neben den Themen Erneuerbare Energien, Treibhausgasreduktion, umweltschonender Bau und Betrieb deckt er gesellschaftliche Themen wie Partizipation, hohe Nutzungsqualität, etwa durch Hindernisfreies Bauen, sowie gesundheitliche Kriterien ab. Der SNBS berücksichtigt in seinen drei Grundpfeilern auch wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Standortwahl und Ertragspotenzial.

Um den höchsten Standard (Platin) zu erreichen, muss die Mehrheit der 45 Indikatoren erfüllt wer- den, d. h. eine Punktzahl zwischen 5,5 und 6,0 erreicht werden. Diesen Platin-Standard zu er- reichen wird das gemeinsame Anliegen der Bauherr- und Architektenschaft sein. Die Grundlage dafür ist durch die intelligente Ertüchtigung der Tragstruktur sowie durch die Kompaktheit des Baukörpers sowie der einfachen und ganzheitlich gedachten Technisierung gegeben.

Brandschutzkonzept

Das angenommene Brandschutzkonzept basiert auf den spezifischen Vorschriften im Bereich des Brandschutzes, d.h. auf den VKF-Brandschutzvorschriften, Ausgabe 2015.

Es handelt sich um ein Gebäude mittlerer Höhe (< 30 m) mit einer Stahlbetontragkonstruk-tion, die einen Feuerwiderstand von R60 erreicht.

Das Brandschutzkonzept basiert auf der Möglichkeit für die Nutzer des Gebäudes, jedes Geschoss über ein brandabschnittbildendes Treppenhaus zu verlassen, das auf auf dem UG1 direkt ins Freie führt. Die Mindestfluchtwegdistanzen sind überall gewährleistet. Der Versammlungsraum auf Ebene -1 besitzt zwei unabhängige Fluchtwege.

Geplant sind auch neben einer automatischen Brandmeldeanlage mit Vollüberwachung, ein Sicherheitsbeleuchtungssystem und geeignete Löscheinrichtungen.

NACHHALTIGKEIT / ÖKOLOGIE / ENERGIE

Heizung/ Kälte

Die Wärme wird durch Anschluss an das be- stehende Fernwärmenetz (KVA Buchs) erzeugt. Im Technikraum ist ein externer Plattenwärm- etauscher installiert, der die Wärmeabgabesys- teme (FBH) und die Lufterhitzergruppen vom Fernwärmenetz trennt. Durch den Einsatz von automatischen Fensteröffnungen wird es mög- lich sein, die freie Nachtkühlung so weit wie mög- lich zu nutzen. Die frische Nachtluft wird hierzu im Inneren der Gebäude verteilt, so dass sie die thermische Masse des Gebäudes kühlen kann. Während der Nutzungszeit des Gebäudes wird die abgekühlte Masse das Gebäude temperieren.

In den heissesten Perioden des Jahres, wenn die Nachttemperaturen eine “natürliche” Kühlung nicht zulassen, respektive die inneren Lasten zu gross werden (bsp. durch Serverräume), wird eine Luft-/ Wasserkühlmaschine zur Unterstützung der Kühlung der Innenräume eingesetzt.

Photovoltaik

Die Solarenergie wird zur Stromerzeugung genutzt. Auf dem Dach des Gebäudes ist eine optimale Nutzung des Raums durch die Installation von Fotovoltaikanlagen vorgesehen. Die erzeugte Energie wird für den Eigenverbrauch genutzt oder ins Netz zurückgespeist. Zu einem späteren Zeitpunkt kann geprüft werden, ob ein Energiespeichersystem integriert werden kann, welches die direkte Nutzung der überschüssigen Energie ermöglicht.

Lüftung

Natürliche Be-/Entlüftung
Die Gebäude verfügen über ein überwiegend natürliches Lüftungskonzept, das durch manuell zu öffnende/schliessende Fenster oder durch ein automatisches Regelsystem gewährleistet wird. Das mechanische Fenstersystem ist bedarfsgerecht gesteuert und nach dem CO2-Gehalt reguliert. Die grosse automatisierte Dachöffnungen sorgen für einen Kamineffekt.

Mechanische Be-/ Entlüftung
Die stark befahrene Äulestrasse macht es aber notwendig, die Qualität der Zuluft zu kontrollieren, bzw. den Lärm von aussen zu filtern und kann es besonders in Spitzenzeiten mit viel Aussenverkehr notwendig werden, auf ein kontrolliertes mechanisches Lüftungskonzept umzustellen.

Aus diesem Grund sind im Technikraum im Untergeschoss mechanische Lüftungsanlagen vorge- sehen, die einen automatischen Luftwechsel im Inneren gewährleisten sollen. Mit Hilfe speziellen Heiz-/ Kühlbatterien und für einige empfindlichere Bereiche (Kulturgüterschutzräume, Magazine), durch den Einsatz von Befeuchtungssystemen kann das richtige Raumklima in Bezug auf Temperatur und relative Luftfeuchtigkeit gewährleistet werden.

Dank des Luftfilters gelangen weder Pollen noch Staub in den Innenraum. Der integrierte Wärmetauscher hält die Aussenluft sowohl im Winter als auch im Sommer stets auf Raumtemperatur. So wird dem Raum nicht nur saubere Frischluft zugeführt, sondern es kann mit der Lüftung auch eine thermische Grundbehaglichkeit sichergestellt werden.

Um einen ständigen Zugang zu den Anlagen zu gewährleisten, respektive um die SNBS-Anforderungen zu erfüllen, gibt es keine Zwischendecken. Die gesamte Lüftungstechnik wird sichtbar und leicht zugänglich sein.

Sanitär Das Brauchwarmwasser wird ebenfalls durch einen externen Plattenwärmetauscher erwärmt, der vom Fernwärmenetz gespeist wird. Es ist die Installation eines Regenwasserrückgewinnungstank vorgesehen.