PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 06

Kapitel Zwei

Architektur:
ARGE Planbar AG / Beat Burgmeier Architekten AG
Rheinau 12
FL-9495 Triesen

Tragwerksplanung:
Ferdy Kaiser AG
Peter-und-Paul-Strasse 24
FL-9493 Mauren

Gedanken zum Ort

Das bestehende Gebäude befindet sich mitten im Zentrum von Vaduz, zwischen der Städtle- und Aeulestrasse. Es reiht sich entlang der Städtlestrasse in eine Reihe von wichtigen Bauten ein, wie das Regierungs- und Landtaggebäude, welches im Süden den Auftakt bilden, das Landesmuseum, der Kunstraum Engländerbau, das Kunstmuseum und das Rathaus, welches nördlich den Abschluss bildet. Der zweigeschossige Sockelbau ist ortsbaulich parallel, entlang der Aeulestrasse platziert und springt auf dem Niveau Aeule markant zurück. Durch diesen Rücksprung bildet sich ein grosszügiger gedeckter Vorbereich zur Aeulestrasse, wo sich zukünftig der sekundärer Bibliothekseingang und die Anlieferung befinden. Auf Städtleniveau bildet der Sockel mit seiner L-Form und dem darüber schwebenden Hauptbaukörper, welcher um 90 Grad abgedreht ist, einen Platz, der sich zur Städtlestrasse hin öffnet.

Ortsbaulich steht der Erhalt des bestehenden Gebäudes im Kontext zur Umgebung und die Ausbildung des öffentlichen Bibliotheksplatzes im Vordergrund. So wird beim Bibliotheksplatz die harte Trennung [Mauer] zur Städtlestrasse aufgehoben und mittels einer Treppenanlage mit Bepflanzung und Sitzstufen ein weicher Übergang gestaltet. Von diesem Bibliotheksplatz aus werden sämtliche Funktionen, wie Bibliothek, Lounge, Café Veranstaltungsraum, Büro und Tiefgarage erschlossen. Es entsteht ein grosszügiger mit Bäumen und Pflanzen begrünter Aussenraum, welcher das Städtle mit seiner hohen Frequentierung belebt. Beim Baukörper erfolgen neben der neuen Fassadengestaltung drei Eingriffe welche Funktional einen grossen Mehrwert bieten. So werden die neuen Funktionen, wie das Treppenhaus vom 1. Untergeschoss [Aeulestrasse] ins Erdgeschoss [Städtlestrasse], das repräsentative Treppenhaus vom Erdgeschoss ins Dachgeschoss und die WC-Anlagen auf den oberen Stockwerken aussen neben oder an das Gebäude angefügt. Dies ermöglicht im Innenraum die maximale Nutzung und Flexibilität der bestehenden Flächen.

Der Bibliotheksbau erhält ein neues Kleid. Eine gut gedämmte, hinterlüftete Gebäudehülle, welche mit Metall verkleidet wird und Anbauten aus Sichtbeton, welche die neuen Funktionen enthalten repräsentieren den öffentlichen Charakter der Bibliothek. Die Fensteröffnungen bestehen aus einer Vielzahl aneinandergereihten, grosszügigen Einzelfenstern, welche mit einem vorstehenden Metallrahmen eingefasst werden.

Ziel dieser Eingriffe in der bestehenden Substanz, der Gebäudehülle und der Umgebung ist es ein kraftvoller und auch repräsentativer Bibliotheksbau zu erstellen und den Ort zu stärken.

Organisation und Funktion

Der Baukörper gliedert sich in unterschiedliche Bereiche, wie der öffentliche und repräsentative Bibliotheksplatz. Innen das öffentliche Foyer, Lounge, Café, Bibliotheksbereiche, Ausstellungsbereich und Veranstaltungsraum und im Weiteren die nicht öffentlichen Bereiche wie Büro, Werkstatt, Magazin usw.

Im Erdgeschoss [Städtleniveau] befinden sich die hellen und offenen Bereiche wie Foyer, Lounge und Café, welche sich mittels grosszügiger Fensterfronten und jeweils über einen eigenen gedeckten Eingang zum Bibliotheksplatz hin öffnen. Eine zweite Erschliessungsebene befindet sich auf dem Niveau Aeulestrasse, mit dem gedeckten Eingang zur Bibliothek und der gedeckten Anlieferung zu den Magazinen. Das vertikale Treppenhaus mit Lift vom 1. Untergeschoss ins Erdgeschoss steht als eigenständiger Kubus in Sichtbeton an der Nordseite des Baukörpers. Es ist von der Aeulestrasse über einen Windfang mit angrenzender Garderobe erschlossen und führt den Benutzer ins Foyer im Erdgeschoss. Das vom Städtle- sowie Aeuleniveau aus erschlossen Foyer im Erdgeschoss verknüpft sämtliche Bereiche, wie das angrenzende Café, die Lounge und den Bibliotheksbereich im Erdgeschoss und Obergeschoss. Die fliessende Raumanordnung zwischen Foyer, Café und Bibliothek, sowie der Lichthof zwischen Café und Bibliothek ermöglichen dem Benutzer immer einen visuellen Bezug zu den Büchern und somit zum Herzstück des Gebäudes der Bibliothek. Trotz dieses Mehrwertes funktionieren die Einheiten auch mittels mobilen Trennwänden vollkommen autonom. Vom Foyer aus führt eine repräsentative, lichtdurchflutete breite Treppe in die oberen Geschosse der Bibliothek. In diesen Geschossen kommen zwei der drei volumetrischen Eingriffe in den bestehenden Baukörper zu tragen. So werden die zwei bestehenden Kerne auch in Zukunft mit maximaler Flächeneffizienz weiterverwendet und ergänzt. Der östliche Kern wird als interne vertikale Erschliessung [Treppenhaus, Lift und Steigzone] genutzt und an der Fassade mit den benötigten WC-Anlagen ergänzt. Der westliche Kern wird als öffentliche vertikale Erschliessung [Treppenhaus, Personenlift, Warenlift und Steigzone] genutzt, das zusätzlich benötigte repräsentative Treppenhaus wird an die Fassade angefügt. Die vorgeschlagenen funktionalen Anbauten bieten einen grossen Mehrwert und ermöglichen im Innenraum die maximale Nutzung und Flexibilität der bestehenden Flächen. Funktional werden die oberen Geschosse nur in wenigen Bereichen gegliedert, so befinden sich z.B. die Büros im 1. bis 3. Obergeschoss jeweils an der Ostfassade. So ergibt sich auf jedem Geschoss einen Bezug zur Bibliothek und in der Einheit kurze Wegverbindungen. Ansonsten sind diese Geschosse im Bereich der Bibliothek flexibel gestaltbar. Der «open Library Bereich befindet sich im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss und kann von den restlichen Bibliotheksbereichen abgetrennt werden. Im 3. Obergeschoss befindet sich der Ausstellungs- und der Veranstaltungsraum. Diese Bereiche sind mit einer höchstmöglichen Flexibilität ausgestaltet und können über ein Vorhangsystem je nach Bedürfnis in der Grösse angepasst werden. Erschlossen werden diese tagsüber über das öffentliche Treppenhaus und ausserhalb der Betriebszeiten der Bibliothek über das interne Treppenhaus. Für den Apéro steht ein Teilbereich der Einheit, die Küche mit Pausenraum oder die Terrasse zur Verfügung. Die Obergeschosse werden über die grosszügigen Fensteröffnungen belichtet und ermöglichen über diese eine starke Verknüpfung mit der Umgebung. Die Fensteröffnungen verfügen über eine Brüstung in Sitzhöhe wo sich Benutzer hinsetzen und in ein gutes Buch vertiefen können. Im Dachgeschoss und dem 1. Untergeschoss sind sämtliche internen Räume angeordnet wie z.B. Magazine, Werkstätte usw. Im Dachgeschoss befindet sich auch ein öffentlich zugänglicher Dachgarten, welcher im Sommer zum Verweilen einlädt.

Gebäudekonzept und Nachhaltigkeit

Grundlage für ein energetisch nachhaltiges Gebäudekonzept ist primär eine kompakte und gut gedämmte Gebäudehülle mit minimalem Energieverlust, sowie ein optimiertes Konzept für einen maximalen Sonnenenergieertrag und -nutzung.

Das einfache Bauen zeichnet sich aus durch die Reduktion und der sinnvolle Einsatz von Baumaterialen und technischen Komponenten im Gebäude. Hier spielen Faktoren wie die Eigenschaften, Gewinnung, Transport, Einbau, Wartung und Unterhalt bis zum Recycling eine entscheidende Rolle. Das architektonische Konzept unterstützt diese Bestrebungen durch die Berücksichtigung folgender Punkte.

Baustoffe/Bauteile

  • Rohstoffkreislauf
  • Bezug von regionalen Baustoffen [Wertschöpfung]
  • Eigenschaften
  • Lebenszyklus

Tragwerk/Struktur

  • klares statisches Konzept [durchgehende Lastabtragung]
  • flexible Raumgestaltung

Gebäudehülle [Fassade und Dach]

  • kompakte Gebäudeform
  • gut gedämmte Gebäudehülle
  • langlebige und unterhaltsarme Materialien
  • optimale Tageslichtnutzung
  • Nutzung der passiven Sonnenenergie [Wärmestrahlung]
  • Berücksichtigung des sommerlichen Wärmeschutzes
  • Retentionsflächen schaffen
  • Lebensraum und Artenvielfalt fördern

Haustechnik/Bauphysik

  • klare Systemtrennung von Tragwerk, Haustechnik und Gebäudehülle
  • reduzieren der Unterhalts- und Betriebskosten mit LowTec Konzept
  • passive und aktive Nutzung der Sonnenenergie
  • Regulierung der Luftqualität [CO2-gesteuerte Fensterflügellüftung]
  • mechanisches Lüftungssystem nur wo nötig
  • Nachtauskühlung nutzen
  • Raumakustik berücksichtigen

Wohlbefinden

  • optimale Belichtung
  • Bezüge zur Umgebung
  • natürliche Materialien
  • Haptik und Einklang der Materialien
  • zeigen der handwerklichen Qualität

Struktur, Materialität und Atmosphäre

Für die Struktur und Materialität des Gebäudes stehen Funktionalität, Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit [Wertschöpfung], Lebensdauer und die Raumatmosphäre für das Wohlbefinden der Kunden und Angestellten eine wichtige Rolle.

Durch den Erhalt und die Nutzung der bestehenden Tragstruktur aus Sichtbetonstützen und -decken und das massvolle Ergänzen mit neuen Sichtbetonelementen aus Recyclingbeton bei den Erschliessungstürmen und den neu angefügten Funktionen wie das repräsentative Treppenhaus und der WC-Anlage entsteht ein einfaches, aber klares statisches Tragwerk. Dieses Konzept ermöglicht neben der Klärung der Erdbebensicherheit und dem Brandschutz auch eine maximale Flexibilität der bestehenden Geschossflächen.

Die Tragstruktur wird dann beim bestehenden Gebäude mit einer kompakten und gut gedämmten, hinterlüfteten Gebäudehülle, welche mit Metall verkleidet wird, umhüllt. Die Anbauten sind in Sichtbeton gehalten. Die Metallverkleidung und der Sichtbeton bestechen durch ihre Robustheit [geringer Unterhalt] und einer hohen Langlebigkeit und können nach Vollendung der Lebensdauer recycelt werden. Die Fensteröffnungen bestehen aus einer Vielzahl aneinandergereihten, grosszügigen Einzelfenster, welche mit einem vorstehenden Metallrahmen eingefasst werden. Die Fensteröffnungen ermöglichen einen direkten Bezug zur Umgebung, womit der Übergang von innen nach aussen weicher wird und eine angemessene Belichtung der Räume erzielt wird. Jedes zweite Fenster verfügt seitlich in der Fassade über einen CO2- gesteuerten Lüftungsflügel, welche für den nötigen Luftwechsel sorgen. Durch die grosszügigen Öffnungen kann in der Übergangszeit und im Winter Sonnenenergie [Wärme] genutzt werden. Im Sommer schützen die umlaufenden Metallrahmen und die vertikalen Stoffmarkisen vor Überhitzung. So prägt die äussere Erscheinung des Bibliotheksbau das Spiel von dunkel behandeltem Metall, grauem Sichtbeton, Glas und dunklen Stoffmarkisen.

Im Inneren des Gebäudes spielen neben der Funktionalität die räumliche Atmosphäre eine wichtige Rolle. So sind die Böden, Wände und Decken der vertikalen Erschliessung [Treppenhäuser] aus den robusten und pflegeleichten Materialien wie Terrazzo am Boden und Sichtbeton an den Wänden und Decke ausgeführt. Die Böden, Wände und Decken des Foyers, Cafés, der Lounge, Bibliotheksbereiche und des Büros spielen mit den Materialien Sichtbeton, Holz, Glas und Stoff. So verfügen die Böden über einen fusswarmen Holzboden aus einheimischem Holz. Die tragenden Wände sind in Sichtbeton, die nicht tragenden Wände in Holz oder Glas mit Stoffvorhängen gehalten. Die Decken sind mit akustischen Holzpaneelen, auch aus einheimischem Holz, verkleidet und verfügen über einen Installationsraum.

Die grosszügigen Fenster sind in Holz-/Metall ausgeführt und verfügen über eine holzverkleidete Brüstung in der technische Installationen [sekundäres System] geführt werden können.

Die Dächer werden wo möglich intensiv begrünt. So unterstützen diese die Retention und fördern die Biodiversität. Die Fassade und das Dach der Attika wird mit PV-Paneelen zur Sonnenenergiegewinnung vollflächig belegt.

Das vorgeschlagene Konzept schafft einerseits statisch und auch technisch eine maximale Flexibilität für zukünftige Veränderungen der räumlichen Bedürfnisse, andererseits eine greifbare räumliche und materielle Atmosphäre, welche dem Benutzer eine haptische Resonanz bietet und einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Licht fördert.