PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 03

Helga (4. Rang)

Architektur:
Ortner & Ortner Baukunst Gesellschaft von Architekten mbH
Leibnitzstrasse 60
D-10629 Berlin

Tragwerksplanung:
FD-Ingenieure
Kantstrasse 34
D-10625 Berlin

Mit der Umnutzung des ehemaligen Post- und Verwaltungsgebäudes zur neuen Landesbibliothek entsteht im Zentrum von Vaduz ein neuer Ankerpunkt für die Zivilgesellschaft Liechtensteins.

Der Umbau erfolgt mit dem Ziel der städtebaulichen Neuordnung und der Stadtreparatur, die den öffentlichen Freiraum von störenden Elementen der funktionalen und autogerechten Stadt befreit und ihm dadurch Bedeutung als neuen Ort der Begegnung für alle Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner verleiht.

Das neue Haus entsteht als einfaches und grundständiges Volumen. Eine schwerelose Arche, hölzern umspannt auf einem steinernen Gebäudesockel ruhend, der die unterschiedlichen Höhen der örtlichen Topografie vermittelt und über Treppen verbindet. Auf allen vier Seiten erhalten untere und obere Straße (Städtle), Gasse und Platz eine eindeutige räumliche Fassung. Diese Freiräume unterschiedlicher Hierarchie bilden ohne die Ausbildung einer Rückseite ein räumliches Kontinuum, welches die neue Bibliothek einfasst und umspielt.

Durch die Beseitigung der vorhandenen Flachbauten und der Fußgängerbrücke wird das obere Plateau nach Süden geöffnet und es entsteht ein großzügiger Stadtplatz und Eingangsraum für die Bibliothek von hoher Aufenthaltsqualität mit Alpenpanorama und Blick auf einen zukünftig möglichen Stadtgarten im Süden.

Durch eine große zentrale Freitreppe werden an dieser Stelle die unterschiedlichen Höhenniveaus überwunden und visuell räumlich verbunden.

Die Bibliothek als Ort der Öffentlichkeit zeigt sich offen und transparent mit einer neuen Hülle aus Holz und Glas, die uneingeschränkten Ausblick von Innen nach Außen in alle Richtungen herstellt.

Geschoßweise umlaufende Vordächer liefern auf ihrer mit PV Modulen belegten Oberfläche ein hohes Maß an regenerativer Energie, schützen die Konstruktion der Holzfassade und reduzieren zusätzlich den Einfall des direkt einfallenden Sonnenlichtes.

Den oberen Gebäudeabschluss bildet unter Einhaltung der zulässigen Gebäudehöhe ein umlaufend zurückspringendes Dachgeschoss als ein integrativer Teil des Gebäudevolumens mit ebenso umlaufendem Vordach und großer Dachterrasse zu allen Seiten.

Die bewusst gestaltete Dachfläche ist begrünt und mit PV-Elementen durchsetzt, stellt in angemessener Weise die weithin sichtbare fünfte Fassade her.

Umgang mit dem Bestandsbau

Mit den Eingriffen in die Bestandskonstruktion werden zwei Ziele verfolgt: Erstens die Behebung der städtebaulichen Missstände durch die Herstellung einfacher und klarer Gebäudevolumen.

Zweitens die Gewinnung einer kompakten, robusten und nachhaltigen baulichen Struktur, die im Inneren ein Höchstmaß an Flexibilität für unterschiedlichste Nutzungsanforderungen bereit hält und die anpassungsfähig ist an veränderte Bedingungen in der Zukunft.

Die wesentlichen hierfür erforderlichen Maßnahmen sind

  • Der Abriss der Postfiliale sowie der Teilrückbau der Decke über dem ersten Untergeschoss zur Herstellung eines schwellenlosen Überganges zwischen Bibliothek und Platz.
  • Der Rückbau und Neubau des Fluchttreppenraumes in einer neuen Geometrie, die eine deutlich verbesserte innere Raumaufteilung ermöglicht und die Erdbebensicherheit erhöht.
  • Die Erweiterung der Flächen im Untergeschoss für zusammenhängende Magazinflächen.
  • Integration der Tiefgaragenzugänge in die Gebäudekubatur.

Organisation und Funktionalität

Übersichtlichkeit und Funktionalität stehen im Mittelpunkt der grundrisslichen Organisation.

Ein asymmetrisch liegender Kern bildet als ein innerer eingestellter Körper

das infrastrukturelle Rückgrat. Er dient als Service- und Erschließungsschicht der Aufnahme aller dienenden Räume wie Fluchttreppenhaus, Lasten- und Bücherlift, Sanitärzellen sowie Lager-, Technik- und Schachtflächen.

Er unterteilt die Gesamtfläche in einen großen offenen Freihandbereich und in einen kleineren, gut belichteten und flexibel unterteilbaren Bereich für Arbeitsplätze und Büros.

Zentral im Freihandbereich angeordnet, verbindet offen und direkt eine gewendelte Freitreppe als neue zentrale Erschließung die öffentlichen Bereiche aller Geschosse. Benachbart befindet sich auf jedem Bibliotheksgeschoss ein Infopoint mit Rechercheplätzen und Reprostation.

Der barrierefreie Hauptzugang in das Gebäude erfolgt vom südlich gelegenen Bibliotheksplatz. Ein barrierefreier Nebeneingang entsteht auf der Nordseite.

Er fungiert auch als separater Zugang zum Veranstaltungssaal im Dachgeschoss und als Personalzugang.

Der weitestgehend geschlossene Gebäudesockel dient als Magazingeschoss.

Ein großzügig verglaster Aufenthaltsraum mit Küche für die Mitarbeiter, der auch als Vorbereitungsküche für besondere Veranstaltungen oder dem Kochen mit Kindern genutzt werden kann liegt an der Nordseite auf Niveau der Postgasse neben der neuen Anlieferung.

Konzept der Bibliothekseinrichtung

Die Freihandbereiche sind als Open Space konzipiert. Sie erlauben unterschiedliche Arten der Möblierung mit verschiedenen Sitzgelegenheiten und sind in ihrer Nutzung äußerst flexibel. Die Bildung verschiedener Raumzonen erfolgt im Sinne einer offenen Landschaft durch eine raumteilende Möblierung ohne feste Abtrennungen.

Die Bestandsbrüstungen erhalten auf Tischhöhe Verkleidungen aus Holz.

Im Zusammenspiel mit dem Verschattungskonzept der Fassade können hiermit sehr platzsparend hochwertige Leseplätze direkt an der Fassade angeordnet werden.

Im Gegensatz zum offenen Konzept der Freihandbereiche erhalten die Arbeitsbereiche und konzentrierten Leseplätze feste Abtrennungen in Form von Holz-Glaswänden, die durch eine Enfilade räumlich zusammengeschaltet und visuell verbunden werden können.

Nachhaltigkeit

Wirtschaftlichkeit in Erstellung und Betrieb

Die Vermeidung grauer Energie und der umfassende Einsatz regenerativer Rohstoffe bilden unter Abwägung der erzielbaren CO2-Einsparungen und der entstehenden Lebenszykluskosten die Grundlage aller vorgeschlagenen Maßnahmen.

Durch den Gewinn eines kompakten Gebäudevolumens wird der Einsatz von Energie im Betrieb auf ein Minimum reduziert.

Der Einsatz langlebiger und wenig pflegeintensiver Materialien trägt auf Dauer wesentlich zu einem hohen Grad an Effizienz und guter Wirtschaftlichkeit bei.

Konstruktion, Materialisierung und Tragwerk

Die bestehende Stahlbetonkonstruktion wird soweit es geht erhalten und sichtbar gelassen. Nur wo sinnvoll und notwendig wird sie zurückgebaut oder ergänzt.

Die konstruktiven Einbauten, Trennwände, Verkleidungen und die Fassade entstehen überwiegend aus Holz und Holzwerkstoffen.

Im Erdgeschoss und im Sockel erhalten die Böden einen langlebigen Natursteinbelag aus dem Travertin der Sockelfassade.

In den oberen Geschossen werden die Böden aus robustem Hirnholzparkett hergestellt.

Die zentrale Treppe und die Portale der Aufzüge erhalten eine Verkleidung aus Baubronze, die aus der recycelten Fassade des alten Postgebäudes gewonnen wird.

Tragwerk

Das umgeplante Gebäude ist eine robuste durch 2 Kerne ausgesteifte Stahlbeton- Skelettkonstruktion, die homogen und unversetzt über alle Etagen verläuft. Der erdgeschossige Baukörper „Postfiliale“, der quer zum Hauptgebäude angeordnet ist, wird vollständig zurückgebaut.

In das Hauptgebäude wird eine neue Stahlbetondecke integriert. Das Treppenhaus wird im Rahmen der Umbaumaßnahme neu errichtet. Es wird um 90° gedreht und bis in die Untergeschosse fortgeführt. Die Dachkonstruktion aus Stahl wird durch eine hölzerne ersetzt.

Ein Ziel der Planung ist der sensible Umgang mit der vorhandenen Substanz. Die bestehende Stahlbetonkonstruktion soll zukünftig sichtbar bleiben. Die Brüstungen bleiben erhalten.

Nach statischer Überprüfung können die vorhandenen Decken die neuen Nutzlasten aus der Bibliotheksnutzung aufnehmen. Verstärkungen der Decken sind im allgemeinen nicht erforderlich. Örtlich wird zusätzliche Bewehrung von oben in der Nähe von Stützen ergänzt. Die vorhandenen Stützen können die zusätzlichen Lasten abtragen.

Neue Bauteile werden durch Herstellen von verzahnten Fugen und zugelassene erdbebensichere Befestigungslösungen zum Beispiel Hilti HIT-RE 500 V3 an die bestehenden Bauteile angeschlossen.

Das neue Treppenhaus wird in seiner Funktion als Aussteifungskern zukünftig mehr Horizontallasten aufnehmen können und ist rotationssteifer. Er wird im Erdgeschoss den rückgebauten Postlift kompensieren. Die Bewehrung wird im Rahmen des Neubaus ungestoßen über mehrere Geschosse geführt. So kann ein Abriss an einer Arbeitsfuge verhindert werden. Für die Ausführung wird ein duktiler Stahl zum Einsatz kommen. Die Bewehrung wird robust eingesetzt. Durch die Drehung ist das Treppenhaus zumindest in eine Richtung mehr in den Schwerpunkt des Gebäudes verschoben worden. Die Stabilität des Liftschachts wird durch den zusätzlichen Versorgungsschacht, der fest mit dem Lift verbunden wird, gestärkt.

Mit dem Abriss der Postfiliale und des kleinen Kiosks werden exzentrisch zu den aussteifenden Kernen angeordnete Massen eliminiert. Der Schwerpunkt aller Decken rückt in unmittelbare Nähe der aussteifenden Kerne Treppenhaus und Aufzug. Weiteres Potenzial zur Erhöhung der Erdbebensicherheit besteht in der statischen Nutzung des Schachtes am bestehenden Aufzug sowie des 2. Treppenhauses im Erdgeschoss.

Die Umbaumaßnahmen führen zur deutlichen Verbesserung der Erdbebensicherheit:

  • Das Treppenhaus ist steifer, rotationssteifer als der Bestand.
  • Das Treppenhaus ist mehr in den Schwerpunkt des Gebäudes gerückt worden
  • Die exzentrischen Massen der Dächer im EG werden entfernt
  • Die neue Decke im EG steift die Stützen des Gebäudes zusätzlich aus. Die Fundation soll nicht verändert werden.

Die neue Fassade wird an den bestehenden Brüstungen der Obergeschosse appliziert. Die horizontalen Lasten aus der neuen Fassade werden in die Decken eingeleitet. Die vertikalen Lasten werden auf die Wände des Untergeschosses geführt.

HLKS / E / MSR Haustechnikkonzept

Die Planungsidee für das Konzept der Planung der technischen Ausrüstung im Bereich der Heizungs-, Klima-, Kälte-, und Sanitär-Anlagen sowie der Mess- und Regeltechnik, fusst auf dem Gedanken der Nachhaltigkeit. Sowohl das Konzept der Energieflüsse als auch die Materialwahl folgen diesem Prinzip.

Die Nutzung von erneuerbaren Energien Sonne und Erdwärme sowie die Wärmerückgewinnung stehen im Mittelpunkt der Planungsidee:

  • Fernwärme klimaneutral durch Fernwärme KVA Buchs
  • Nutzung des Erdspeichers zur Kälteerzeugung und Freecooling
  • SNBS Gold / Platin Zertifizierung

Die freien Dachflächen werden, wo es möglich ist, mit Photovoltaikmodulen ausgelegt. Die Fassade über den Fensterflächen wird mit Vorsprüngen zur Beschattung ausgestattet. Auch diese Flächen werden mit Photovoltaikpaneelen ausgestattet. Dies dient gleichzeitig der Maximierung der Flächen (ca. 600m2) zur Stromerzeugung.

Die Aufteilung der Technikzentralen erfolgt zentral in den Untergeschossen des Bestandes bzw. des Neubaus mit Zuordnung zu den modular aufgebauten Steigzonen.

Durch die systematische Anordnung der Steigschächte wird eine einfache horizontale Anbindung der einzelnen Bereiche sichergestellt. Hiermit wird den unweigerlich im Lebenszyklus des Gebäudes anstehenden räumlichen Veränderungen und damit den notwendigen technischen Umbauten Rechnung getragen. Veränderungen und Umbauten sind mit minimalem Aufwand und Betriebsunterbrechungen möglich.

Heizung / Kälte

Die Wärmeversorgung der Landesbibliothek erfolgt über das Fernwärmenetz der KVA Buchs.

  • Primär – Erzeugung von Wärme und notwendiger Kälteenergie über Wärmepumpen und einen Erdwärmespeicher/Erdsonden (keine Rückkühler auf dem Dach)
  • Sekundär – Anschluss an die Fernwärme zur Aufheizung der Trinkwarmwassersystems auf 70 °C (Legionellenprophylaxe)

Die notwendigen inneren Kältelasten werden primär durch „Freie Kühlung“ abgeführt. Erst sekundär wird die verbleibende Kältelast durch Zuführung von mechanischer Kälteenergie abgeführt. Es wird eine Kältemaschine mit natürlichem Kältemittel aufgestellt. Die Rückkühlung erfolgt über Erdsonden (Zulässig mit Standardauflagen bis 150 m Tiefe).

Die Beheizung der Ausstellungsräume, der Veranstaltungsräume, Lounges, der Büros, der Bibliothek und vergleichbarer Räume erfolgt über eine sektional aufgebaute Fußbodenheizung. Dadurch sind im Lebenszyklus des Gebäudes evtl. notwendige Umbauten ohne Anpassung der Heizungsinstallation möglich.

Nebenräume, Nassräume bzw. WCs werden über Heizkörper oder Fußbodenheizungen temperiert. Innen liegende Räume ohne Wärmelast werden nach Möglichkeit nicht aktiv beheizt.

Lüftung

Die Außenluft aller Gebäudeteile wird im Bereich des Erdgeschosses auf der Ostseite auf Höhe der Technikzentralen angesaugt. Die Luft wird den einzelnen Zonen bzw. raumlufttechnischen Geräten zugeführt. In die Fortluft aller Zonen wird zur Wärmerückgewinnung ein Enthalpie-Wärmetauscher eingebaut, über welchen sowohl die Wärme als auch die Feuchte zurückgewonnen wird. Die zentralen Luftaufbereitungsgeräte (Monoblocs) werden den einzelnen Zonen zugeordnet und zentral angeordnet. Die Aufstellung der Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung erfolgt in der Technikzentrale im Untergeschoss. In das Regelprogramm aller raumlufttechnischen Geräte wird das Prinzip der „Freien Kühlung“ integriert. Die Lufteinbringung erfolgt über die Freiflächen in den Geschossen, die Absaugung im Bereich vor der Fassade. Tagsüber strömt die Luft über die Freiflächen in die entsprechenden Geschosse. Dort wird sie über den Regalflächen bzw. spezifische Nutzungsflächen zu den Fenstern hin abgesaugt. Die abgesaugte Luft wird über eine Wärmerückgewinnung ins Freie geführt. Ein Freecooling System lässt sich einfach umsetzen: Nachts und zu Zeiten von niedrigeren Temperaturen lassen sich die umlaufenden Fensterflügel im oberen Segment öffnen (Einbruchsschutz), die kühle Luft strömt über die Fenster ein und wird wie vor beschrieben abgesaugt.

Die unteren Geschosse, Kulturgüterschutzraum (15 -18°C, 45 – 60%), Allgemeines Magazin (15 -18°C, 45 – 60%), werden gelüftet und teilweise klimatisiert, um den wertvollen Bestand zu schützen und zu erhalten.

Sprinkler

Im Rahmen der Projektbearbeitung ist zu klären, ob eine vollflächige Sprinklerung des Gebäudes notwendig ist. Die Sprinklerzentrale würde im 1. UG über ein Nottreppenhaus erreichbar, angeordnet.

Zum Schutz der wertvollen Kulturgüter, auch vor Löschwasserschäden, müsste die Auslösung der Sprinkler sektional erfolgen. Im Rahmen der Projektbearbeitung sind auch alternative Löschmethoden zu betrachten.