PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 21

Durchblick

Architektur:
matt architekten gmbh
Britschenstrasse 38
FL-9493 Mauren

Tragwerksplanung:
Konstruktionsgruppe Bauen AG
Bahnhofplatz 1
D-87435 Kempten

Das bestehende Post- und Verwaltungsgebäude im Zentrum von Vaduz gliedert sich in einen Sockelbereich mit Erd- und Untergeschoss und einem darüber schwebenden Kubus. Während der schwebende Kubus primär über seine kurzen Fassaden wahrgenommen wird und als Turm erscheint, macht der Sockelbereich mit den geschlossenen Fassaden, vielen Vor- und Rücksprüngen und dunklen Ecken einen wenig einladenden Eindruck. Unsere Idee ist es, das Volumen des Turmbauwerks herauszustreichen und zu stärken und andererseits die Erscheinung des Sockelbauwerks zu klären, es zur Umgebung zu öffnen und einen Durchblick vom Städtle in die Äulestrasse und umgekehrt zu schaffen. Die Fassade des Sockelbereichs hat dabei eine maximale Transparenz zur Aussenwelt und macht das Gebäude zum Treffpunkt für die Bevölkerung, zu einem offenen Begegnungs- und Lernort Liechtensteins. Turm und Sockel der neuen Landesbibliothek bilden einen bedeutenden Baustein im Stadtbild von Vaduz.

Leitgedanke – Idee und Städtebau

Die Erscheinung mit dem turmartigen Hochbau und dem Sockelbauwerk wird erhalten. Die beiden Bauteile vereinfacht, geklärt und präzisiert. Das Potential des Bestandes wird herausgearbeitet und optimal genutzt, Überflüssiges entfernt.

Beim Turm entfällt das Dachgeschoss komplett. Die Untersicht aus Beton und der niedrige Zwischenraum werden belassen. Die Fassade im Zwischengeschoss springt zurück, um den schwebenden Eindruck zu erhalten. Bei der zweigeschossigen Eingangshalle bleibt der grosszügige Raum unter dem Turm erlebbar. Die Fassadengestaltung unterstreicht den kubischen Ansatz des Turms.

Im Erd- und Untergeschoss werden die einzelnen Bauteile zu einem durchgehenden Volumen zusammengefasst. Die Erweiterung mit einem grosszügigen Vordach klärt Form und Erscheinung des Sockelbauwerks. Der Vorbereich wird zu einem räumlich gefassten Innenhof umgedeutet. Das Gebäude erhält erdgeschossig eine klare Abgrenzung nach aussen und definiert die umliegenden Stadträume der Fussgängerzone. Im Untergeschoss entsteht unter Einbezug der gedeckten Vorfahrt eine grosszügige Bibliothekslandschaft mit einem Lesesaal an der Ausstrasse und einer grossen Bücherhalle.

Anstelle der Aussentreppe an der Poststrasse entsteht eine interne Verbindung zwischen den beiden Hauptebenen, welche die Dynamik der Nutzung des Gebäudes nach aussen abbildet.

Das gesamte Sockelbauwerk wird geöffnet – die Befreiung schafft Durchblick – von der Äulestrasse ins höher gelegene Städtle und umgekehrt – vom Innenhof in die Nutzungen im Erdgeschoss sowie in die darunterliegende Bibliothekslandschaft. Die öffentlichen Räume innen verbinden sich mit dem Stadtraum. Lufträume und Treppen schaffen ein Raumkontinuum vom Städtle über den Innenhof in die Eingangshalle von dort über die Lufträume ins Zwischengeschoss und in das Untergeschoss an die Austrasse. So entsteht ein kontinuierlicher räumlicher Fluss von unten nach oben und umgekehrt. Eine zusammenhänge Fläche, welche alle für den Publikumsverkehr öffentlich zugänglichen Räume beinhaltet. Die neue Landesbibliothek zeigt sich übersichtlich und grosszügig, offen und vielfältig, prägnant und selbstbewusst, massstäblich und benutzerfreundlich, wohnlich und urban. Ein Begegnungsort für vielfältige soziale Kontakte und Aktivitäten, der allen offensteht – ein öffentliches Wohnzimmer für Vaduz und ganz Liechtenstein.

Erschliessung – Zirkulation

Vom Städtle gelangt man über ein Eingangsportal mit einem Ginkobaum in den zentralen Innenhof und von dort in die zweigeschossige Eingangshalle. Der bestehende Aufgang aus der Tiefgarage führt witterungsgeschützt zum Haupteingang. Für eine Abendnutzung hat das Café einen separaten Nebeneingang. Von der Äulestrasse gelangt man aus der gedeckten Arkade in die Lesehalle.

Die Eingangshalle verbindet alle öffentlich zugänglichen Bereiche der Landesbibliothek. Über die einladende, zentral gelegene Wendeltreppe gelangt man auf kurzem Weg ins Unter- sowie ins erste Obergeschoss. Das bestehende Treppenhaus dient als Fluchttreppe und erschliesst zusätzlich die Galerie in der Eingangshalle sowie die intern genutzten Obergeschosse. Die Treppe an der Postgasse mit dem barrierefreien Zugang in den Veranstaltungsraum schafft einen Rundgang im Gebäude. Die Besucher können auf unterschiedlichen Wegen durch das Gebäude zirkulieren oder zu den von ihm gesuchten Nutzungen gelangen.

Für die vertikale Erschliessung mit Aufzügen werden ausschliesslich die bestehenden Liftschächte genutzt. Der ehemalige Warenlift der Post schafft die barrierefreie Verbindung zwischen Erd- und Untergeschoss. Die Aufzüge im Haupttreppenhaus erschliessen wie gewohnt die Obergeschosse sowie die Galerie mit der DachterrasseDer Warenlift steuert unverändert alle Geschosse an. Betrieblich ist es möglich, die Zugänge auf den Geschossen frei zugänglich zu den einzelnen Nutzungsbereichen auszubilden.

Organisation

Die öffentlich zugänglichen Bereiche der Landesbibliothek werden auf drei Ebenen – Untergeschoss – Erdgeschoss mit Galerie und 1. Obergeschoss – kompakt organisiert. Die nicht öffentlichen Bereiche befinden sich im 2. und 3.

Obergeschoss. Für die Besucher entstehen kurze Wege und gute Orientierbarkeit. Das Untergschoss wird als ‚Open Library‘ ausgebildet. Der kontrollierte Zutritt erfolgt über den Eingang an der Äulestrasse. Der Bereich wird mit zwei Rollgittern bei den Treppenaufgängen vom Rest der Bibliothek abgetrennt.

Erdgeschoss

Das Erdgeschoss hat den öffentlichsten Charakter der neuen Landesbibliothek. Es wird durch drei Erschliessungskerne und drei Lufträume in verschiedene Bereiche zoniert. So entsteht ein vielfältiger Raum mit spannenden Sichtbezügen, Aus- und Einblicken und vielfältigen Laufwegen. Die Eingangshalle als zentraler Raum ist Ankunftsort und Infopoint und dient als Verteiler für Besucher. Von der Lounge und der Nationalbibliothek hat man Sichtbeziehungen ins Untergeschoss, ins Café und in die Äulestrasse. Ruhige Leseplätze sind zwischen diesen Funktionen brückenartig an den Lufträumen zum Untergeschoss angeordnet. Veranstaltungsraum und Ausstellungsbereich liegen ein paar Stufen tiefer am ‘Städtle’. Das Bibliothekscafé ist auf den Innenhof orientiert und nutzt diesen attraktiven, teilweise überdachten Aussenraum. Die zentralen Büroarbeitsplätze für Mitarbeiter gewährleisten einen guten Überblick über das Geschehen in der Bibliothek. Die dahinter liegenden abgeschlossenen Lernplätze können so optimal betreut werden.

Galerie

Das Zwischengeschoss wird über das Haupttreppenhaus erschlossen. Die Galerie zur Eingangshalle zur Eingangshalle ist verglast. Von dieser Ebene kann der Raum unter dem Turmbaukörper mit seiner schönen Sichtbetondecke erlebt werden. Zudem ist hier das Silentium untergebracht.

Dachterrasse

Die Dachterrasse ist nah am Haupteingang über dem Veranstaltungsbereich angeordnet. Sie hat Sichtbeziehungen in den Innenhof und in die Eingangshalle und liegt direkt über der Fussgängerzone im Städtle. Grösstenteils gedeckt, kann sie geschützt vor Sonne und Niederschlägen die meisste Zeit des Jahres genutz werden. Durch die Nähe zum Städtle kann das Geschehen dort hautnah verfolgt werden.

Untergeschoss

Im Untergeschoss wird das Flächenpotential der gedeckten Vorfahrt der Lagerfläche der Post genutzt. Der Bereich wird in zwei Zonen geteilt: eine Bücherhalle im Bauch des Gebäudes und eine Lesehalle mit Makerspace und Jugendbibliothek entlang der Äulestrasse und der Postgasse. Dieser Bereich ist über eine raumhohe Glasfront optimal belichtet. Nach Westen schützt der Dachüberstand des Erdgeschosses vor übermässiger Sonneneinstrahlung.

Lesehalle

Zwei Lufträume zum Erdgeschoss verleihen der Lesehalle einen freundlichen, lichtdurchflutenden Charakter. Medien- und Präsentationsregale sowie die Möbel der Leseplätze bringen die Nutzung als Bibliothek zum Ausdruck. Der Makerspace ist öffentlich wirksam platziert und lädt zum Gebrauch ein.

Bücherhalle

Über die beiden Öffnungen der bestehenden Eingangstore gelangt man von der Lesehalle in die Bücherhalle.

In ihr sind alle öffentlich zugänglichen Medien für Erwachsene kompakt und übersichtlich untergebracht. die Bereiche für Film, Hörbücher, Belletristik und Sachbücherei gehen fliessend ineinander über und ziehen die Benutzer in die einzelnen Bücherwelten. Die Medien sind vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt. Ein Tiefhof bringt Tageslicht in diesen Bereich und schafft eine Sichtbeziehung zum erdgeschossigen Innenhof.

Jugendbibliothek

Die Jugendbibliothek ist zur Postgasse orientiert und von den anderen Nutzungen der Bibliothek abgegrenzt. Die Jugendlichen erhalten so einen autonomen Bereich in der Nähe des Makerspace und können diesen in ihre aktivitäten einbeziehen. Mit der neuen Innentreppe, dem dazugehörenden Luftraum und Rücklauf wird diese Seite des Gebäudes. Aufgewertet. Die Jugendbibliothek erhält so einen grosszügigen Eindruck und eine gute Belichtung.

Obergeschosse

Die Flächen der Obergeschosse werden durch die Stützen und die Kerne der Haupttreppe und des Warenlifts strukturiert. Im Grundriss werden die Geschosse in der Längsrichtung mittig geteilt. So entsteht jeweils eine grosszügige Fläche im Süden, sowie eine kleinteiligere Einteilung auf der Nordseite.

Kinderbibliothek

Die Kinderbibliothek wurde bewusst im 1. Obergeschoss in einem eigenen Raum angeordnet. So ist sie akustisch optimal abgetrennt und kann frei bespielt werden, ohne die anderen Benutzer der Bibliothek zu stören. Über die neue Wendeltreppe ist sie gut mit der Bibliothek verbunden und nah am Haupteingang. Möblierung und Ausstattung sind frei angeordnet und kinderfreundlich gestaltet.

Freihandmagazin

Ebenfalls im 1. Obergeschoss ist das Freihandmagazin angeordnet. Der Benutzer erreicht es normalerweise über das Haupttreppenhaus, aber auch der Weg über die Wendeltreppe und die Kinderbibliothek ist denkbar.

Nicht öffentlicher Bereich

Alle Flächen für nicht öffentliche Magazine und Kulturgütersammlungen sind in zwei grossen Magazinräumen im 2. und 3. Obergeschoss untergebracht. Im 2. Obergeschoss befinden sich zusätzlich der Akzessionsraum mit Werkstätten und Zwischenlagern, im 3. Obergeschoss Büro- und Aufenthaltsräume der Mitarbeiter. Durch diesen sehr ökonomischen Umgang mit den Geschossflächen kann ein Reserveräume mit ca. 55m2 ausgewiesen werden.

Umgebung

Der neue Innenhof ist auf einer durchgehenden Ebene angeordnet. Eine Freitreppe überwindet den Höhenunterschied vom Städtle und bindet die bestehende Rampe auf natürliche Art und Weise in die Umgebungsgestaltung ein. Das prägnante Eingangsportal führt in den geschützten Innenhof, wo sich der Haupteingang befindet. Begrünt wird der Innenhof durch wilden Wein an der Wand beim Aufgang der Tiefgarage / Zugang zur Dachterrasse. Der Tiefhof zur Belichtung der Bücherhalle ist ebenfalls begrünt. Für die Bodenbeläge wird vorgeschlagen, das Natursteinpflaster der Fussgängerzone zu verwenden und so die Bereiche zusammen zu fassen. Der Aufgang von der Tiefgarage wird zusammen mit dem Bücherschrank und den Fahrradabstellplätzen in das neue Vordach integriert.

Die Loggia (Aussenbereich Bibliothekscafé) an der südwestlichen Ecke des Gebäudes schafft Abstand zur bestehenden Fussgängerbrücke. Eine neue Aussentreppen verbindet witterungsgeschützt die Austrasse mit dem Innenhof. Für eine alternative Fussgängerbrücke zur Marktplatzgarage ist die Loggia als Anknüpfungspunkt geeignet. Wie im Situationsplan dargestellt, führt diese auf die Nordostecke der Marktplatzgarage und von dort weiter entlang der Neuen Bank zum Vaduzer Saal.

Fassade

Die Fassadengestaltung unterstützt den kubischen Ausdruck der Baukörper mit dem Turm und dem Sockelbauwerk.

Der Sockel aus Beton sowie die Dachränder aus Faserbetonfertigteilen strukturieren das Gebäude in der Horizontalen. Die ruhige Grossform der hellen Betonflächen wird mit dunklen Metall- und Glasbauteilen gefüllt. Die Solarpaneele bei den Fassadenflächen der Magazinräume in den Obergeschossen, haben eine schwarzblaue Einfärbung. Folglich sind alle anderen Metallteile aus schwarzblau eloxiertem Aluminium gefertigt: Fensterrahmen, Brüstungs- und Sturzverkleidungen sowie die perforierten Sonnenschutzelemente gleichen sich so Ton in Ton an die grossflächigen, nach Süden, Osten und Westen orientierten Kollektorflächen an. Der Turm bildet einen harmonischen, kubisch anmutenden Körper, welcher über dem Sockelgeschoss schwebt.

Die Front zur Äulestrasse ist maximal transparent gestaltet. Der Rücksprung im Unterschoss in der Flucht der Kolonnade der Landesbank bildet einen Sonnen- und Witterungsschutz für den Eingang an der Äulestrasse sowie für wartende Buspassagiere. Vor den umlaufenden Fensterbändern in den Obergeschossen werden auf der Ost- und der Westseite sowie bei untergeordneten Räumen auf der Nordseite permanente Sicht- und Sonnenschutzelemente aus perforiertem Metallpaneelen vorgeschlagen. Diese korrespondieren in ihrer Erscheinung mit dem Kollektorflächen. Bei allen anderen Fenstern kommte in textiler Sonnenschutzscreen zur Anwendung. Ausgefahren verleiht er dem Gebäude einen warmen Ausdruck.

Materialisierung

Die Sichtbetonoberflächen mit Bretterschalung des Bestandes werden so weit als möglich erhalten. Geschliffener Estrich in Terrazzooptik sowie Ausbauten in Eschenholz und die dunklen Oberflächen der Metallbauteile von Verglasungen und Türen nehmen den Stil der 70er Jahre auf und interpretieren ihn neu. Zusammen mit den farbigen Polstern und Auflageteppichen bei den Sitzgelegenheiten ergibt sich eine wohnliche, warme Atmosphäre. Bücherregale und Medientröge der Bibliothek sind in schlichten Farbtönen gehalten und ordnen sich den Medien unter.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit

Wesentlich für die Wirtschaftlichkeit in Erstellung und Betrieb ist der kompakte Baukörper mit einer minimalen Fassadenabwicklung. Der Abbruch des Dachgeschosses kompensiert die neuen Flächen der Lesehalle im Untergeschoss sowie der Eingangshalle mit Galerie im Erdgeschoss. Somit können die Massen von Kubatur und Geschossfläche gem. dem Kostenziel des Bauherrn eingehalten werden. Die Eingriffe in die Betonstruktur sind auf wenige Punkte reduziert. Der Neubau des hofbildenden Vordachs sowie die Deckenergänzungen auf der Galerie sind minimal gehalten. Diese zusätzlichen Massnahmen sind in der Kostenzusammenstellung unter Pkt. 4 ‚Eingriffe in das Tragwerk‘ abgebildet.

Über die ganze Lebenszeit betrachtet ist die Metallfassade nachhaltig und wirtschaftlich, da es sich um eine langlebige und unterhaltsfreie Konstruktion handelt. Solarpaneele an der Fassade und auf dem freigeräumten Hauptach liefern einen bedeutenden Anteil der benötigten Primärenergie für Beleuchtung und Klimatisierung des Gebäudes. Das vorgeschlagene Fassadenkonzept reduziert den technischen Aufwand für Gebäudekühlung im Sommer auf ein Minimum, wodurch die technische Gebäudeausstattung und in der Folge die Betriebskosten klein gehalten werden können.

Brandschutz

Der öffentlich zugängliche Teil der Bibliothek bildet einen Brandabschnitt. Erd- und Untergeschoss werden direkt in den Aussenraum entfluchtet. Die Obergeschosse sind je nach Nutzung in einzelne Brandabschnitte unterteilt. Die Fluchtweglängen können mit der bestehenden Treppenanlage eingehalten werden. Das abgeschlossene Fluchttreppenhaus mit Brandschutzverglasung zur Eingangshalle führt über die Dachterrasse direkt ins Freie.