PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 05

Bühnenspiel

Architektur:
Cavegn Architekten
Bahnstrasse 54
FL-9494 Schaan

Tragwerksplanung:
F+G Ingenieure AG Gewerbeweg 15
FL-9490 Vaduz

Idee/Städtebau

Die Grundidee des vorliegenden Entwurfs basiert auf das Einbeziehen der relevanten Themen, wie Städtebau, Funktion, Ökologie/Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und Umgang mit dem Bestand zu einem Gesamtkonzept, welches seiner Nutzung und Aufgabenstellung gerecht wird.

Durch die reduzierte Gebäudehöhe und den Rückbau des eingeschossigen Posttrakts, präsentiert sich die Liechtensteinische Landesbibliothek mit einer neuen Volumetrie, die sich in die Struktur der Bebauung entlang der Fussgängerzone des Vaduzer Städtles einordnet. Durch seine Architektur und Materialisierung sowie Fassadenstruktur, indem differenzierte Transparenzgrade resultieren, offenbart sich die Bibliothek klar als zentrales öffentliches Gebäude im Städtle von Vaduz und tritt im Dialog mit dem Ort.

Zwischen der neuen Liechtensteinischen Bibliothek und der gegenüberliegenden Landesbank spannt sich ein neuer Aussenraum als Bibliotheksplatz auf, dabei hier ein identitätsstiftender Ort geschaffen wird, der den öffentlichen Nutzungen des Erdgeschosses wie Café und Veranstaltungsraum vorgelagert wird. Zudem erfolgen hier übersichtlich die Zugänge zum Rückgabeautomaten und zur Tiefgarage.

Über den neuen Bibliothekplatz wird das künftige Verwaltungs- und Finanzviertel ortsbaulich an das Städtle angebunden bzw. bietet das Aussenraumkonzept grossen Spielraum für die künftige Entwicklungen des Marktplatzes.

Erschliessung

Der Haupteingang der Liechtensteinischen Landesbibliothek befindet sich an der Fussgängerzone des Städtle. Eine breite Treppenanlage verbindet die unterschiedlichen Niveaus und lädt den Besucher zum Haupteingang ein, von dort aus geht es direkt ins Foyer und zum zentralen Empfang der Bibliothek. Beim Haupteingang sowie der Loungezone vorgelagert, lädt ein attraktiver Aufenthaltsbereich mit Übersicht zur Fussgängerzone Städtle zum Verweilen ein.

Vom Foyer aus werden übersichtlich die öffentlichen Bereiche wie Lounge und Café sowie weiter westlich die Kinder- und Jugendbibliothek und der Veranstaltungsraum organisiert. Die darüberliegenden Bibliotheksgeschosse werden zudem von der Eingangszone aus gut orientierbar über zwei Erschliessungskerne und der im Luftraum sich aufsteigende Kaskadentreppe angebunden.

Ein weiterer Eingang befindet sich an der Äulestrasse, hier wird in einer gedeckten Zone die Anlieferung, der Fahrradabstellplatz und der Buswartebereich zusammengefasst. Der Besucher gelangt von dort über eine vertikale Erschliessung direkt zu den Obergeschossen bzw. dem Lernbereich der Bibliothek wie ebenso übersichtlich zum Empfang.

Die Anlieferung der Bibliothek erfolgt ebenfalls über die gedeckte Zone, mit direktem Zugang zum Magazinraum im ersten Untergeschoss. Über den Waren- und Bücherlift werden die hier zusammengefassten Magazin- und Kulturgüterräume direkt an die darüber liegenden Bibliotheksgeschosse angebunden.

Der Bibliotheksplatz wie auch der künftige Marktplatz wird über eine Wendeltreppe direkt mit der Buswartezone auf dem Niveau der Äulestrasse abgebunden.

Funktion

Ein erhöhtes Erdgeschoss mit Empfang, Foyer und Loung empfängt die Besucher, hier befindet sich die Kinder- und Jugendbibliothek wie auch im Neubau das Café und der Veranstaltungsraum. Das Café und der Veranstaltungsraum können autonom mit separater Erschliessung über den Bibliotheksplatz wie auch als Synergienutzung zur Bibliothek betrieben werden. Das Raumkonzept der Kinder- und Jugendbibliothek bietet eine flexible, offene und veränderbare Raumstruktur. Die Jugendbibliothek und der Bereich der Mittelstufe sowie die zwischengeschaltete Gamingzone werden als Einheit zusammengefasst bzw. könnte dieser Bereich akustisch von den übrigen Bereichen abgetrennt werden.

Zwischen Bestand und Neubau entwickelt sich aufgrund der höhenversetzten Geschosse ein Split- Level System, an dessen Nahtstelle ein geschossübergreifender Luftraum entsteht. Durch diese räumliche Struktur sind interessante Blickbeziehungen zwischen den Geschossebenen möglich, die zudem im Gebäudeinneren eine effiziente natürliche Belichtung gewährleistet.

Die Bibliothek ist lediglich auf wenige Geschosse organisiert. Dadurch können die Medien themenweise gut zusammengefasst werden, dies wiederum die Orientierung im Gebäude erleichtert. Zudem fördert das räumliche Konzept soziale Kontakte bzw. entsteht hier ein Ort der Gemeinschaft.

In dem kontrastierenden Luftraum verläuft die Erschliessung indem der Besucher übersichtlich über eine Kaskadentreppe reizvoll zwischen den Geschossen und Bibliotheksbereichen geführt wird. Der neue Erschliessungskern mit Treppe und Lift als Ergänzung zur Kaskadentreppe ermöglicht einen Rundlauf durch die Medienstände sowie kürzeste Verbindungen zwischen den Medienbereichen und zwischen den jeweiligen Geschossebenen.

Je weiter der Besucher ins Gebäude aufsteigt, je weniger sind diese Bereiche frequentiert bzw. werden hier die ruhigeren Zonen organisiert. Die öffentlichen und Publikumsaktiveren Nutzungen werden gänzlich im Erd- bzw. im ersten Obergeschoss zusammengefasst, die zudem zur Zone der „open library“ zählen. Die Publikumsärmeren und ruhigeren Zonen, wie z.B. die Lernplätze, die Liechtensteinpublikation und Ausstellungsbereich, werden im zweiten Obergeschoss mit attraktiver Anbindung an die Dachterrasse angesiedelt.

Die Internen, die Publikums-, sowie die „open library“- Zonen sind geschossweise in klar strukturierten Bereichen organisiert, wodurch ein flexibler und effizienter Bibliotheksbetrieb gewährleistet wird. So werden z.B. die Magazinräume zusammen mit der Verwaltung nahe an die Medienstände platziert.

Café- und der Veranstaltungsraum befinden sich im Erdgeschoss zum vorgelagerten Bibliothekplatz. Der Bibliotheksplatz mit schattenspendenden Bäumen und Spielbereichen ergänzt das Angebot und trägt zur Belebung des öffentlichen Raumes bei. Eine dem Café und Veranstaltungsraum zwischengeschaltete Nasszelle ermöglicht einen autonomen Betrieb dieser öffentlichen Bereiche, wie auch können diese zur Bibliothek dazu geordnet werden. Über den Lift kann die Dachterrasse an das Café und dem Veranstaltungsraum angebunden werden und für Anlässe einen Mehrwert bieten.

Statik / Umgang mit dem Bestand

Ausser dem Rückbau des Attikageschosses und eines weiteren Geschosses sowie des Posttraktes, erfolgen wenige weitere Massnahmen am Bestand. Die statisch wirksamen Brüstungen bleiben ebenfalls mit Ausnahme des Bereichs zum Neubau bestehen.

Mit diesen wenigen Änderungen am Bestand und indem die statisch wirksamen Lasten auf dem Bestand und dem Neubau verteilt werden, kann auf kostenintensive statische Ertüchtigungsmassnehmen verzichtet werden. Die vertikale Lastabtragung des Neubaus wird konsequent auf das Tragsystem des Bestandes abgeleitet. Im ersten UG sind dazu wenige Stützen bzw. Träger nötig.

Ein neuer Erschliessungskern, der ebenfalls die Brandschutzauflagen erfüllt wie auch eine einfache Haustechnikverteilung ermöglicht, übernimmt zugleich statisch relevante Funktionen wie z.B. die Erdbebenkräfte für den Bestand wie auch für den Neubau.

So kompensiert der neue Erschliessungskern den Rückbau der erdbebenrelevanten Wände bzw. des Warenlifts durch seine optimale Lage und statische Einbindung im Bestand.

Das stringente Gesamtkonzept bewirkt von Grund auf ein wirtschaftliches Konzept und erfüllt damit ebenfalls die wesentlichen funktionalen Aspekte. Zudem trägt der aus Holz konzipierte Neubau den Grundgedanken eines nachhaltigen und wirtschaftlichen zeitgemässen Bauens.

Haustechnik

Der bedachte Umgang mit dem Bestand und das stringente Konzept mit einem nach Süden vorgelagerten Neubau, ermöglicht ein simples und effizientes Haustechnikkonzept. Die bestehenden Kerne mit der vertikalen Erschliessung und dem Warenlift erfüllen die vertikale Haustechnikerschliessungen im Bestand. Zudem sind die Nasszellen effizient direkt an die bestehende Steigzone des Bestandes angedockt. Die Positionierung des neuen Gebäudekerns zwischen Bestand und Neubau trägt zu einer effizienten Haustechnik bei, hier optimal platziert eine weitere Steigzone für die mechanische Lüftung zur Verfügung steht.

Raumklima

Das Konzept von speicherfähigen Materialen, Massivholz und der vorhandenen Betonmasse im Bestand, in Kombination mit einer mechanischen Lüftung gewährleisten ein optimales Raumklima. Einfache Lüftungsflügel an Fassade und im Dachbereich des Luftraums ermöglichen eine natürliche, simple und hocheffiziente Nachtauskühlung. Das Konzept mit der Einbindung der vorhandenen Masse trägt positiv zum Raumklima bei und minimiert dadurch den haustechnischen Aufwand.

Sonnenschutz

Das solare Angebot wird durch die sehr gute Gebäudesituierungen sowie den optimierten Grössen der Fensterelemente effizient genutzt. Sonnenschutzlamellen aus Eschenholz erfüllen den Sonnenschutz und gewähren gleichzeitig über den ganzen Tag den Ausblick nach aussen. Zudem trägt das Fassadenkonzept zur Optimierung der Tageslichtnutzung bei, dadurch der Verbrauch von künstlichem Licht geringgehalten werden kann.

Nachhaltigkeit

Der sorgfältige Umgang des Bestands, dieser wenige Anpassungen benötigt, ein in Holzbauweise konzipierte Neubau mit Holzfassade, der hohe Einsatz an nachhaltigen Materialien und Verwendung von Photovoltaikanlagen bewirken von Grund auf ein wirtschaftliches und nachhaltiges Gesamtkonzept. Dies verkörpert in besonderer Weise eine hohe Strahlkraft und die Entwicklung in unserer Gesellschaft Richtung Nachhaltigkeit. Die vom Land Liechtenstein angestrebte Bauweise mit hoher Energieeffizienz und Nachhaltigkeit mit dem Bestreben des Labels SNBS Gold oder Platin, thematisiert der Entwurf, indem dieser viele hierfür relevante Faktoren berücksichtigt, wie gutes Innenraumklima, Schonung der Umwelt, eine Ressourcenaufwand-Minimierung der Betriebserstellung mit dessen Rückbau, Flexibilität für die sich ändernde Nutzungsbedürfnisse sowie Optimierung von Bau-, Betriebs- und Unterhaltskosten.

Architektur

Das erhöhte, offene Erdgeschoss mit dem Split-Level Konzept und dem Luftraum zwischen Bestand und Neubau, stellt eine eigenständige und qualitätsvolle räumliche Situation dar. An verschiedenen Orten im Haus befinden sich attraktive Aufenthalts-, Lese- sowie Lernräume die Bezüge in verschiedene Bibliotheksbereiche ermöglichen. Das Wechselspiel des Split-Levels unterstützt diese räumliche interessante Situation und erfüllt zudem in hohem Mass die Vorstellung einer zeitgemässen Bibliothek. Das Wechselspiel zwischen Bestand und Neubau prägt ebenfalls den Innenausbau mit differenziertem gestalterischem Ausdruck der beiden Bereiche.

Die massiven Betondecken und Brüstungen des Bestandes bleiben erhalten. Neue Terrazzoböden wie auch der aus Beton gefertigte neue Erschliessungskern ergänzen das Konzept unter Berücksichtigung der Betonmasse, wodurch ein komfortables Raumklima im Gebäudeinneren unterstützt wird.

Alle weiteren Einbauten, wie Trennwände, Möbeleinbauten und Akustikdecken, werden wie auch teilweise der Neubau, in einheimischem Eschenholz ausgeführt. Die Fenster des Bestandes werden als Dreh-Kippflügel konzipiert. Die grossflächige Fassade des Neubaus besteht aus einer Pfosten- Riegelkonstruktion, die ebenfalls das Konzept des Eschenholzes zeichnet. Durch schmale, mechanisch regulierte Drehkippflügel, erfüllen diese zudem die natürliche Nachtauskühlung.

Das äussere Erscheinungsbild der neuen Liechtensteinischen Landesbibliothek wird durch die Eschenholzfassade geprägt, die dem öffentlichen Gebäude eine eigene prägende Identität verleiht. Durch unterschiedliche Abstände und Tiefen der Fassadenlamellen erfüllen diese den Sonnenschutz und ermöglicht Transparenz sowie Sichtbezüge zwischen Innen und Aussen. Hinter den Lamellen werden unterschiedliche Materialien wie Glas oder Holz wie bei den Brüstungen oder beim Dachrand etc. des Bestandes vorgesehen. So kann auf Anpassungen am Bestand, die sich rein aus gestalterischen Überlegungen bilden, vermieden werden.

Abends im Kunstlicht offenbart sich das Bibliotheksgebäude in seiner inneren Nutzung als öffentliche Bühne im Vaduzer-Städtle.