PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 01

Loculus

Architektur:
bernardo bader architekt ZT GmbH
Klostergasse 9a
A-6900 Bregenz

Tragwerksplanung:
Schlaich Bergermann Partner – sbp GmbH
Schwabstrasse 43
D-70197 Stuttgart

SCHATULLE* AUS HOLZ

* «Die Schatulle (Lehnwort von lat. Scatula;…) ist ein kleineres, häufig kunsthandwerklich aufwendig gestaltetes Behältnis zur Aufbewahrung von mehr oder weniger wertvollen Dingen. Eine Schatulle kann aus Holz, Leder, Stein (Schmuckstein), Elfenbein oder auch Metall gearbeitet sein und diente im Mittelalter häufig als Minnegabe.»



ORT UND SITUATION

Städtebauliche Reparatur | Weiterschreiben von Duktus des Städtles

Der konkrete Betrachtungsperimeter wird durch die bestehende Struktur des Postgebäudes sowie der Stadträumlichen Situation zwischen Äulestrasse und Städtle geprägt. Das bestehende Postgebäude schafft aufgrund seiner Typologie städtebaulich undifferenzierte Aussen- und Zwischenräume. Insbesondere die hohe Durchlässigkeit in Ost- Westrichtung führt zu einer Solitärstellung des Baukörpers im städtischen Gefüge. Diese fehlende räumliche Dichte führt zu einem „ausrinnen“ vor allem des Gassenraumes. Ziel des Projektverfassers ist es im Sinne einer städtebaulichen Reparatur mittels präziser Setzung eines wohlproportionierten Passsteines die städtebauliche Situation nachhaltig zu verbessern. Der Duktus des historisch gewachsenen Städtles mit seinem sich verengenden und aufweitenden Strassenraum soll antizipiert und weitergeschrieben werden. Der Neubau einer Institution wie der einer Landesbibliothek birgt das Potential – gar die Verpflichtung ein Impuls für den öffentlichen Raum zu setzen.

Die Bibliothekswelt befindet sich in einem umfassenden Wandel. Analoge Medien werden zunehmend von digitalen abgelöst, die Bibliothek der Zukunft entwickelt sich zu einem Aufenthalts- und Begegnungsort sowie sozialen Treffpunkt. Im digitalen Zeitalter erfüllt die Bibliothek wesentliche gesellschaftliche Funktionen wie den uneingeschränkten Zugang zu Bildung für alle sozialen Schichten. Die innovative und hochflexible Struktur des Neubaus bietet eine architektonische Antwort auf diesen Transformationsprozess. Die robuste und formal markante Struktur ist für die Anforderungen der Zukunft gewappnet, wird zum Ausdruck dieses Wandels.

Um auf dem zu Verfügung stehenden Perimeter eine zukunftsweisende Bibliothek zu entwerfen und das Potential der Lage zwischen Städtle und Äulestrasse adäquat für eine Public Library zu nutzen, haben wir uns gegen den Erhalt des bestehenden Postgebäudes entschieden. Die Obergeschosse des bestehenden Gebäudes der ehemaligen liechtensteinischen Post werden bis auf Erdgeschossniveau rückgebaut.

Dies eröffnet die Chance, auf dem gesamten Grundstück eine formal markante und zukunftsfähige Bibliothek zu schaffen und somit die vorhandene städtebauliche Situation wesentlich zu verbessern. Im Sinne einer städtebaulichen Reparatur fungiert das neue Volumen als präzises Passstück, welches den städtischen Raum verdichtet und den Lückenschluss zur angrenzenden Bebauung des Städtles schafft. In seiner Höhenausdehnung bezieht sich das Gebäude, entgegen dem um zwei Geschosse höheren Bestand, auf die Traufkanten der Nachbargebäude und fügt sich so integrativ in den historisch gewachsenen Strassenzug des Städtles ein. Das Gebäude bindet die unterschiedlichen Niveaus der Äulestrasse und des Städtles jeweils niveaugleich an.

Der Hauptzugang von Osten erfolgt übers Städtle und mündet über eine grosszügig gedeckte Vorzone im Herz des Gebäudes, dem zentralen 3-geschossigen Atrium. Der Zugang von Westen erfolgt über die ein Geschoss tiefer liegende Äulestrasse und mündet über eine repräsentative Treppe ebenfalls im zentralen Atrium.

Das Atrium wird somit Auftakt der inneren Wegeführung und Schnittpunkt aller Wege.

Dementsprechend gruppieren sich die öffentlichen Bereiche und der open Library Bereich um das zentrale Atrium. Erdgeschossig befinden sich neben den öffentlichen Funktionen wie Café und Veranstaltungsraum die zentrale Anlaufstelle sowie die Vorrichtungen für Ausleihe und Rückgabe. Café und Veranstaltungsbereich sind wie der Rückgabebereich zusätzlich vom gedeckten Vorbereich aus erschlossen und somit extern, unabhängig vom Bibliotheksbetrieb, nutzbar. Der Vorbereich birgt weiterhin den neuen, barrierefreien Zugang zur öffentlichen Parkgarage, welcher in den Untergeschossen an die Bestandsstrukturen anbindet. In den Obergeschossen befinden sich weitere Bereiche der open Library sowie die Leseplätze und eine windgeschützte Dachterrasse mit Blickbezügen ins Städtle und zum Schloss. Jeweils an den Kernzonen angelagert befinden sich gut belichtet die nichtöffentlichen Bereiche für die Bibliotheksmitarbeiter.

Die vertikale Erschliessung erfolgt über eine offene, in das Atrium eingestellte Helixtreppe, die im Sinne der open library zum Flanieren und Schmökern einlädt.

Im 1. Untergeschoss befindet sich neben dem Zugang von der Äulestrasse das Magazin und die Kulturgüterschutzräume und die Werkstätten.

Die weiteren Untergeschosse bleiben weitestgehend unberührt und werden lediglich punktuell statisch ertüchtigt.

Gebäudestruktur, Konstruktion und Materialisierung

Offenheit nach Innen und Aussen | Struktur mit Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

Wir leben in einer Welt, die einem raschen und umfassenden Wandel unterworfen ist. Im Verlauf der Geschichte wechseln Nutzer und Funktion eines Gebäudes regelmässig. Eine Architektur, die sich in erster Linie aus der direkten Umsetzung des Programms speist, ist per Definition zeitgebunden. Die Veränderungen unserer Gesellschaft finden schneller statt als die Lebensdauer unserer Gebäude. Entwürfe, die auf struktureller Ebene eine Flexibilität und Nutzungsneutralität mitbringen, sind im Vorteil, um auf Veränderungen entsprechend reagieren zu können.

Gerade in einer Bibliothek sind die Anforderungen der Nutzung einem steten Wandel unterworfen. Offenheit, Flexibilität und Niederschwelligkeit sind die Qualitäten, die die Gebrauchstauglichkeit und Zukunftsfähigkeit einer Bibliothek in der digitalen Transformation bestimmen. Die Struktur der neuen Bibliothek ist daher so geplant, dass sie sich zukünftigen und veränderten Nutzungen und Anforderungen anpassen kann.

Eine Schatulle aus Holz

Holzbau für die Stadt mit adäquater und baukünstlerischer Übersetzung.

Das Gebäude materialisiert sich nach aussen in farblich fein abgestimmtem, rot lasiertem Eichenholz. Der gegenwärtige architektonische Diskurs verlangt nach ökologisch, wie ökonomisch nachhaltigen Gebäuden, die in ihrer Semantik dem städtebaulichen Kontext Rechnung tragen. Die farbliche Konnotation des Holzbaues eröffnet auf subtile Weise den Dialog mit dem historisch urbanen, steinernen Kontext der Altstadt von Vaduz. Das Thema des Holzbaus für die Stadt verlangt nach einer adäquaten und baukünstlerischen Übersetzung. Markante ornamenthafte Profilierungen verleihen dem Gebäude die Aura eines starken und selbstbewussten öffentlichen Gebäudes.

Dem Wunsch nach möglichst grosszügiger Öffnung der Bibliothek nach aussen wird mittels grossformatiger Fensteröffnungen Rechnung getragen. Gleichzeitig hilft die markante Profilierung der Fensterrahmen dem Gebäude die nötige Masse und Präsenz im öffentlichen Raum zu generieren, um den Dialog mit den steinernen Massivbauten im Städtle nicht zu scheuen.

Im Inneren schafft ein feines Wechselspiel aus weiss gekalkten Holzoberflächen und Betondecken eine Aura grosser Entspanntheit und Ruhe. Die Fussböden der Obergeschosse sind als Eichenholzböden konzipiert. Im Bereich des Erdgeschosses und des zentralen Atriums manifestiert ein feiner Betonterrazzo die höhere Öffentlichkeit dieses Geschosses als erweiterter Stadtraum.

Tragwerk

Robuste, hochflexible und formal markante Struktur

Die aufgehenden Geschosse des aktuell bestehenden Postgebäudes werden rückgebaut und durch eine neue Holz – Betonhybridkonstruktion ersetzt. Die zu erhaltenden Untergeschosse werden auf die neuen Lastpfade und das neue Tragverhalten angepasst. Als Bindeglied zwischen bestehenden Untergeschossen und der neuen aufgehenden Holz – Betonhybridkonstruktion fungiert eine Betonkassettendecke als Lastverteilende Platte. Die Lasten aus den Obergeschossen werden so vertikal abgeleitet und über ein engmaschiges Rasternetz auf die bestehenden Stützenstrukturen in den Untergeschossen abgeleitet.

Die Stützen und Fundamente in den Untergeschossen werden punktuell verstärkt bzw. ertüchtigt, um die entsprechenden Lasten aufnehmen zu können.

Aufgrund der Erfordernis Gebäude und damit auch Tragkonstruktionen nachhaltig zu gestalten, wird der Umbau in ökologischer Hinsicht optimiert, ohne dabei ökonomische Aspekte zu vernachlässigen. Die ökologischen Aspekte werden vor allem durch

  • die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen,
  • die Wiederverwendung der rückgebauten Baustoffe (Recyclingbeton),
  • den Erhalt von wesentlichen Teilen der vorhandenen Konstruktion und
  • die Verwendung von CEM III Zement
    erfüllt.

Durch die Kombination mit

  • einem hohen Vorfertigungsgrad,
  • einem grossen Wiederholungsfaktor,
  • einfachen Ertüchtigungsmassnahmen des Bestands und
  • den Einsatz von Recycling-Beton
    wird eine nachhaltige und zugleich sehr wirtschaftliche Tragkonstruktion realisiert.

Ökologie und Nachhaltigkeit

Low Tech mit Alltgsintelligenz anstatt hochinstallierter Maschine

Das Nachhaltigkeitskonzept beruht auf Langlebigkeit, Ressourceneffizienz und dem möglichst geringen Einsatz von Technik. Dies wird durch einen kompakten Baukörper, einer nach den Anforderungen ausgelegten Konstruktion und einem holistischen Gebäudetechnikkonzept sichergestellt.

Bei der konzeptionellen Auslegung des Neubaus wurde darauf geachtet, dass die Anforderungen des neuen Standards SNBS Bildungsbauten eingehalten sind. Die aktuelle Projektberechnung zeigt eine Erfüllung im Bereich Gold bis Platin. Die in SNBS implementierte SIA 2040 – Berechnung entspricht Bestnoten in allen drei Bereichen Erstellung, Betrieb und Mobilität.

Der Neubau erfüllt die Anforderungen an Energie und Nachhaltigkeit durch einen kompakten Baukörper mit einfachen baulichen und technischen Strukturen. Die Gebäudeform wurde als Rechteck ausgelegt. Die Primärkonstruktion des Neubaus sieht eine Holz-Beton Hybridkonstruktion vor. Die Primärträgerstruktur in Holzbauweise in Kombination mit Betonhalbfertigteilen stellt eine höchst wirtschaftliche sowie ökologische Konstruktion dar. Der für die Verbundwirkung notwendige Aufbeton kann zur Gänze aus Recycling – Beton gefertigt werden. Somit werden die abgebrochenen Betonteile des Bestandsgebäudes lokal geschreddert und recycliert. Somit kann ein wesentlicher Anteil an grauer Energie für die Betonteile minimiert werden.

Die Evaluation der CO2 Emissionen anhand der SIA 2040 – Betrachtung hat ergeben, dass der grösste Treiber die Erstellung und auf Materialebene, insbesondere der Stahlbeton, für einen Grossteil der Umweltbelastung verantwortlich ist. Das Projekt reagiert darauf mit einer konsequenten Reduktion der Tragkonstruktion. Horizontal werden die Stahlbetondecken auf ein Minimum reduziert. Dies ist nur möglich, da mit einer konsequenten Systemtrennung im gesamten Gebäude auf Lüftungseinlagen in den Decken verzichtet wird.

Die gewählte Konstruktion besticht durch Einfachheit, Langlebigkeit und Wertbeständigkeit. Dadurch kann die investierte Graue Energie über einen sehr viel längeren Zeitraum abgeschrieben werden, was ein nicht kompensierbarer Vorteil gegenüber einer anderen Konstruktion darstellt.

Gebäudehülle, Dämmstandard

Effiziente Nachtkühlung | Hybridlüftungssystem | optimale Tageslichtnutzung

Die kompakte Bauweise ist eine optimale Voraussetzung zur Reduktion des Heizwärmebedarfs, ohne dafür einen übertrieben ausgebildeten Dämmstandard anwenden zu müssen. Der Fensteranteil ist ausgelegt nach einer optimalen passiven Nutzung der Sonneneinstrahlung, einer guten Tageslichtnutzung und möglichst geringen Wärmeverlusten mittels hochwertiger 3 Scheiben Verglasungen. Die Bauteilaktivierung der Betondecken zum Heizen bzw. Kühlen sowie der konsequente Einsatz von aussenliegendem, textilem Sonnenschutz garantieren ein effizientes System gegen sommerliche Überhitzung. Das Projekt soll eine natürliche Lüftung über die Fassade ermöglichen. Belüftet wird das Gebäude über ein Hybridlüftungssystem aus dezentralen, auf den Mindestbedarf ausgelegte mechanische Lüftungsgeräte in Kombination mit sensorgesteuerter Fensterlüftung. Dies erlaubt eine höchst effiziente Nachtkühlung der Räumlichkeiten über die Fenster bzw. die RWA Öffnung im zentralen Atrium. Die Luftansaugöffnungen der dezentralen Lüftungsgeräte an der Fassade erfolgen über witterungsgeschützte Öffnungen im Bereich der Fassadenprofilierung über den Fenstern.