PROJEKTWETTBEWERB

LIECHTENSTEINISCHE

LANDESBIBLIOTHEK

PROJEKT-NR. 23

Back to the roots

Architektur:
Becker Architektur AG
Heiligkreuz 14
FL-9490 Vaduz

Tragwerksplanung:
F. Preisig AG Bauingenieure und Planer SIA USIC
Obere Kirchgasse 2
CH-8400 Winterhtur

Städtebau und Architektur

Mit dem Titel von «back to the roots» wird sowohl der Städtebau als auch die Architektur des Projektvorschlags angesprochen. Die klare Form des Gebäudes soll erhalten bleiben und der Formensprache der Architektur wird grosse Beachtung geschenkt. In einem Rückbau entsteht die Chance einer schlichten und doch ausdrucksstarken Architektursprache.

Die mehrheitlich reinen Funktionsflächen im Aussenraum werden neu belebt und Teil des Gesamtkonzeptes. Die Postgasse, bisher eine reine Zweckverbindung, wird aufgewertet. Sie wird neu als erweiterter Vorbereich der Bibliothek gestaltet und stellt einen Mehrwert für das Stadtgefüge dar. Die neu geschaffene grosszügige Treppenanlage ermöglicht den Zugang zur Bibliothek, resp. des Vorbereichs am Städtle. Diese neu geschaffene Durchlässigkeit verankert die Bibliothek in den Stadtraum.

Die Brücke über die Äeulistrasse ist sehr dominant und für die Dynamik des Strassenraumes störend. Da sie überdimensioniert und zudem eher wenig frequentiert ist, wird sie abgebrochen.

Umgang mit dem Bestand

Die unglaublich starke visuelle Kraft des Rohbaus wird auf alten Baustellenfotos deutlich. Klare einfache Strukturen und eine schlichte Formensprache machen diese Kraft aus. Zu dieser soll mit dem Projektentwurf zurückgefunden werden. Der Bestand wird auf seine Grundstruktur rückgebaut. Die visuell prägende Plattenstruktur des Rohbaus soll nun deutlich sichtbar werden. Die Bänder der Geschossdecken sowie die Stützen im Innern sind formgebend für das neue Gebäude und geben ihm seine dynamische Wirkung. Durch eine Erweiterung der vertikalen Struktur wird das Konzept des Bestandes gestärkt. Die Fassade wird in reduzierter Art neu gestaltet und energetisch in das Haustechnikkonzept einbezogen. Die Treppenkerne bleiben erhalten und werden räumlich ergänzt. Einfache, klare Grundstrukturen die durch eine flexible Möblierung bespielt werden können. Dadurch kann der Grundriss möglichst frei gestaltet werden und ist für zukünftige Änderungen vorbereitet.

Organisation und Funktionalität

Der neu entstandene Platz in der Postgasse wird durch eine grosszügige Aussentreppe und den öffentlichen Eingangsbereich der Bibliothek mit dem Aussenraum des Erdgeschosses verbunden. Dadurch wird der öffentliche Charakter des Ortes gestärkt. Die Treppe führt den Stadtraum in die Bibliothek hinein. Die Treppe als Gestaltungselement wird durch die grosszügige Treppe im Innenraum auch in die oberen Geschosse weitergetragen. Sie dient sowohl als gestalterisches, verbindendes als auch als zonierendes Element in sämtlichen Stockwerken.

Im Innenraum sind durch die Reduktion auf die Grundstruktur grosszügige Raumabfolgen möglich. Die Erschliessungskerne sind zusammen mit den Stützen die tragenden (übertragen und im Wortsinn) Elemente der Innenräume. Hier finden auch die Nebenräume ihren Platz. Die klare Grundstruktur lässt eine flexible Raumgestaltung zu. Durch die wenigen Stützen und einzelne Scheiben können die Grundrisse frei gestaltet werden. Die Raumaufteilung geschieht mit statisch losgelösten Trennwänden.

Konzept der Bibliothekseinrichtung

Das Grundkonzept der einfachen Tragstruktur ist auch im Innenraum erkennbar. Die Räume werden so schlicht wie möglich gehalten und von Installationen weitestgehend befreit. Die Möblierung selbst übernimmt hier die Aufgabe der Zonierung sowie Gestaltung der nötigen Atmosphäre. Die stark frequentierten Bereiche werden um die Treppenbereiche angeordnet und privatere Zonen orientieren sich am natürlichen Licht der Fassade. Wo Wände nötig sind, werden diese mehrheitlich als leichte Glaswände mit Vorhängen als optische Trennung ausgeführt. Dieselben Vorhänge werden auch in den Bibliotheksbereichen als zonierende Gestaltungselemente verwendet.

Konstruktion, Materialisierung und Einbezug des Tragwerks

Bei der Aufgabe eine nachhaltige und zugleich architektonisch wertvolle Lösung für das Gebäude zu finden, ist der Entschluss gefallen, sehr gezielte Umbaumassnahmen durchzuführen. Der Postlift und die innere Treppe der Post erscheinen der zukünftigen Nutzung nicht dienlich und sind daher zum Rückbau vorgesehen. Bei der Wahl der neuen Materialien und Baustoffen werden neben den architektonischen Ansprüchen vor allem auch die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt.

Die innere und äussere Erschliessung des Gebäudes ist mittels neuer Treppen vorgesehen. Hierdurch soll die Attraktivität der Erschliessungswege erhöht werden. Dazu ist es notwendig, die Decken in einigen Bereichen zu öffnen. Die entsprechenden Verstärkungs-massnahmen sind im separaten Bericht erläutert.

Die vorhandene Gebäudeaussteifung für den Lastfall Erdbeben, soll hierbei an die Anforderungen der heutigen Normengeneration angehoben werden. Dazu werden einzelne bestehende Treppenhaus- und Liftwände mit Beton aufgedoppelt. Zusätzlich wird im Bereich der neuen Treppe eine Betonwand eingebracht, um die Torsionssteifigkeit des Gebäudes zu erhöhen. Das 1. UG wird hierbei als Einspanngeschoss betrachtet, welches eine steife Kiste bildet. Dank der neuen Betonwand wird das Durchstanzverhalten der Decke in diesem Bereich zusätzlich verbessert.

Die Unterlagsböden werden vollständig entfernt und durch neue Doppelböden ersetzt. Hierdurch verringert sich die Auflast der Decken. Es kompensiert weitgehend die Anforderung des Gebäudes auf die höheren Nutzlasten bezogen auf die neue Nutzung. Die Doppelböden erlauben zusätzlich eine Flexibilität der Leitungsführung (Elektro, Medien etc.) im Boden.

Das Attikageschoss wird auf allen Seiten verbreitert. Hierzu werden die vorhandenen Lastpunkte der darunter liegenden Stützen verwendet. Die Stahlkonstruktion soll erhalten bleiben und wird entsprechend erweitert. Die Holzsparren werden jedoch gemäss der neuen Geometrie erneuert.

Wirtschaftlichkeit in Erstellung und Betrieb

Da der Bestand mit seiner starken Gebäudestruktur eine ideale Grundlage bietet, sind für die Umsetzung des Projektes nur wenig grobe Eingriffe nötig. Was nicht mehr gebraucht wird soll zurückgebaut werden und so viel als möglich bleibt erhalten. Der Einbezug von natürlichen Materialien wie Beton, Mineralwolle, Holz, Glas sowie Teppich aus Wolle ist sowohl für die Wirtschaftlichkeit als auch für die Nachhaltigkeit von Bedeutung. Auch der Einsatz von Hohlböden zur Leitungsführung bewährt sich im Betrieb und ist eine zukunftsorientiertes Lösung. Die Installationen bleiben frei zugänglich und können jederzeit angepasst werden.

Gebäudetechnik

Um die gegebenen Raumhöhen des Bestandes möglichst auch in ihrer Wirkung zu erhalten, wird die Decke komplett frei von Installationen gehalten. Leer und hell im Erscheinungsbild widerspiegelt sie die klare Grundstruktur des Projektes. Die Lichtinstallationen werden auf und an den Bücherregalen angebracht, um die Decke zu bestrahlen. Dadurch kann die Stimmung individuell angepasst werden. Die Brüstungen werden mit einer bauteil- aktivierenden Schicht ergänzt. Sämtliche weitere Gebäudetechnik wird im neuen Hohlboden untergebracht. Brandmelder und andere funktionelle Geräte werden in den anbetonierten Teilen der Stützen untergebracht und verschwinden somit beinahe aus dem Gesamtbild. Die 3-fach verglasten Kippflügelfenster mit dem vorgesetzten Äusseren Sonnenschutz dienen durch ihre grosse Leibungstiefe dem sommerlichen und konstruktiven Wärmeschutz. Die Kippfunktion kann ebenfalls als zusätzliche natürliche Frischluftgewinnung genutzt werden. Somit können einzelne Zonen individuell und direkt belüftet werden. Sämtliche gefangenen Räume werden zusätzlich mechanisch belüftet. Die Energiegewinnung erfolgt mittels Fernwärme und Photovoltaikanlage.